Völkerwanderung bezeichnet eine Phase massiver Wanderungsbewegungen und Migrationen, die etwa von 375 bis 568 n. Chr. andauerte. Diese Wanderungen betrafen vor allem germanische Stämme, aber auch andere Völker wie die Hunnen, Awaren und Slawen. Sie führten zu tiefgreifenden Veränderungen in Europa und trugen zum Zerfall des Weströmischen Reiches bei.
Ursachen
Die Ursachen der Völkerwanderung sind vielfältig und umfassen klimatische Veränderungen, Überbevölkerung, interne Konflikte und den Druck durch nomadische Reitervölker wie die Hunnen. Diese Faktoren führten zu einer Kettenreaktion, bei der sich verschiedene Völker auf die Wanderung begaben, um neue Siedlungsgebiete zu finden.
Verlauf
Frühphase (4. Jahrhundert)
Die Völkerwanderung begann im 4. Jahrhundert mit dem Eindringen der Hunnen in Europa. Die Hunnen drängten andere Völker wie die Goten westwärts. 375 n. Chr. überquerten die Westgoten die Donau und baten das Römische Reich um Aufnahme. Dies führte zur Schlacht von Adrianopel im Jahr 378, bei der die Römer eine vernichtende Niederlage erlitten.
Höhepunkt (5. Jahrhundert)
Im 5. Jahrhundert setzte die Wanderung zahlreicher germanischer Stämme ein. Die Vandalen zogen über Gallien nach Spanien und schließlich nach Nordafrika, wo sie 439 Karthago eroberten. Die Burgunder siedelten sich im heutigen Frankreich an, während die Angeln, Sachsen und Jüten nach Britannien übersiedelten. Die Westgoten gründeten ein Königreich in Spanien, und die Ostgoten unter Theoderich dem Großen etablierten ein Reich in Italien.
Spätphase (6. Jahrhundert)
Im 6. Jahrhundert setzte die Wanderung der Langobarden ein, die 568 n. Chr. in Italien einfielen und ein Königreich gründeten. Diese Phase markiert das Ende der klassischen Völkerwanderung, obwohl Wanderungsbewegungen und Invasionen weiterhin stattfanden.
Auswirkungen
Zerfall des Weströmischen Reiches
Die Völkerwanderung trug maßgeblich zum Zerfall des Weströmischen Reiches bei. Die ständigen Invasionen und die Ansiedlung germanischer Stämme im römischen Territorium führten zu einer Schwächung der römischen Verwaltung und Militärmacht. 476 n. Chr. setzte der germanische Heerführer Odoaker den letzten weströmischen Kaiser Romulus Augustulus ab.
Bildung neuer Reiche
Die Völkerwanderung führte zur Bildung neuer germanischer Königreiche auf dem Gebiet des ehemaligen Weströmischen Reiches. Diese Reiche kombinierten germanische und römische Elemente und legten die Grundlagen für die mittelalterlichen europäischen Staaten. Beispiele hierfür sind das Frankenreich, das Westgotenreich und das Ostgotenreich.
Kultureller Wandel
Die Migrationen führten zu einem tiefgreifenden kulturellen Wandel. Germanische und römische Traditionen verschmolzen, und die Christianisierung der germanischen Völker trug zur kulturellen Einheit Europas bei. Auch die Sprachen, Gesetze und Bräuche der Völker veränderten sich durch den Kontakt miteinander.
Bedeutende Völker und ihre Wanderungen
Goten
Die Goten teilten sich in Westgoten und Ostgoten. Die Westgoten wanderten nach der Schlacht von Adrianopel westwärts und gründeten ein Reich in Spanien. Die Ostgoten zogen unter Theoderich dem Großen nach Italien.
Vandalen
Die Vandalen zogen über Gallien nach Spanien und weiter nach Nordafrika. Unter Geiserich eroberten sie Karthago und etablierten ein mächtiges Königreich.
Langobarden
Die Langobarden wanderten im 6. Jahrhundert nach Italien und gründeten dort ein Königreich, das bis zur Eroberung durch die Franken bestand.
Hunnen
Die Hunnen unter Attila übten großen Druck auf die germanischen Stämme aus und drangen tief in das römische Territorium ein. Nach Attilas Tod zerfiel das Hunnenreich jedoch schnell.
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Literatur
- Heather, Peter: The Fall of the Roman Empire: A New History of Rome and the Barbarians. Oxford University Press, 2006. ISBN 978-0195325416
- Halsall, Guy: Barbarian Migrations and the Roman West, 376–568. Cambridge University Press, 2008. ISBN 978-0521434911