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__INDEX__
In [[psychology]] and [[sociology]], '''social inertia''' is the resistance to change or the endurance of stable relationships in societies or social groups. Social inertia is the opposite of [[social change]].
 
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In der [[Psychologie]] und [[Soziologie]] bezeichnet '''soziale Trägheit''' den Widerstand gegen Veränderung in Gesellschaften oder sozialen Gruppen sowie die Ausdauer von stabilen Beziehungen. Soziale Trägheit bezeichnet das Gegenteil von [[Sozialer Wandel|sozialem Wandel]].
   
==Overview==
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== Übersicht ==
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Die Idee der sozialen Trägheit lässt sich auf den französischen Soziologen [[Pierre Bourdieu]] zurückführen. Nach Bourdieu besetzt jede Person eine Position in einem sozialen Raum, der aus ihrer sozialen Schicht sowie aus den sozialen Beziehungen und sozialen Netzwerken besteht. Durch das Engagement des Individuums im sozialen Raum entwickelt es eine Reihe von Verhaltensweisen, Lebensarten und Gewohnheiten (die Bourdieu als [[Habitus (Soziologie)|Habitus]] bezeichnet), die oft dazu dienen den [[Status quo]] aufrechtzuerhalten. Dadurch sind Menschen ermutigt „die soziale Welt zu akzeptieren wie sie ist, sie lieber für selbstverständlich zu halten, als dagegen zu rebellieren und sie mit ihren gegensätzlichen, sogar antagonistischen Möglichkeiten zu vergleichen.“<ref>{{Literatur|Autor=Pierre Bourdieu|Titel=The social space and the genesis of groups|Sammelwerk=Theory and Society|Band=14|Nummer=6|Verlag=|Jahr=1985|Monat=11|Tag=01|Seiten=723–744|ISSN=1573-7853|DOI=10.1007/BF00174048}}</ref> Dies kann die Kontinuität der sozialen Ordnung über die Zeit erklären.<ref name="Swartz">{{Literatur|Autor=David L. Swartz, Vera L. Zolberg|Titel=After Bourdieu: Influence, Critique, Elaboration|Verlag=Springer Science & Business Media|Ort=|Jahr=2006|Seiten=92|ISBN=1-4020-2589-0|Online=[http://books.google.com/books?id=bb6iw-xIGjcC&pg=PA92#v=onepage&q=inertia&f=false books.google.com]}}</ref>
   
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Soziologen haben untersucht, wie das wirtschaftliche und [[Kulturgut|kulturelle Erbe]] über Generationen weitergegeben wird, was zu starker sozialer Trägheit, selbst während Zeiten sozialen Fortschritts, führen kann. Im Besonderen fand Bourdieu in seinen Algerien-Studien, dass selbst in Zeiten von schnellem, wirtschaftlichem Wandel kulturelle und symbolische Faktoren die Flexibilität der Gesellschaft, sich rasch an den Wandel anzupassen, einschränkten.<ref name="Swartz" />
The idea of social inertia can be traced back to [[France|French]] [[sociologist]] [[Pierre Bourdieu]]. According to Bourdieu, each person occupies a position in a social space, which consists of his or her [[social class]] as well as social relationships and [[social networks]]. Through the individual's engagement in the social space, he or she develops a set of behaviors, lifestyle and habits (which Bourdieu referred to as [[Habitus (sociology)|habitus]]) which often serve to maintain the [[status quo]]. Thus, people are encouraged to "accept the social world as it is, to take it for granted, rather than to rebel against it, to counterpose to it different, even antagonistic, possibles." <ref>{{cite journal|last=Bourdieu|first=Pierre|title=The Social Space and the Genesis of Groups|journal=Theory and Society|date=November 1985|volume=14|issue=6|page=728|url=http://www.soc.ucsb.edu/ct/pages/JWM/Syllabi/Bourdieu/SocialSpaceGG.pdf|accessdate=20 November 2013|doi=10.1007/bf00174048}}</ref> This can explain the continuity of the social order through time.
 
   
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Deshalb wurde soziale Trägheit benutzt, um zu erklären, wie dominante soziale Schichten ihren Status und ihr Privileg über die Zeit aufrechterhalten. Momentan ist dies ein heiß diskutiertes Thema in den [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]]. Während Präsident [[Barack Obama]] Amerikas Bekenntnis zur [[Chancengleichheit]] in seiner zweiten Antrittsrede beteuerte, glaubt [[Liste der Nobelpreisträger|Nobelpreisträger]] [[Joseph E. Stiglitz]] es sei ein Mythos, dass die moderne Gesellschaft [[Chancengleichheit]] und hohe [[soziale Mobilität]] durch Mechanismen wie [[Schule|Schulbildung]] bietet.<ref>{{cite news|last=|author=Joseph Stiglitz|title=Equal Opportunity, Our National Myth|url=http://opinionator.blogs.nytimes.com/2013/02/16/equal-opportunity-our-national-myth/?_r=0|accessdate=2013-12-09|newspaper=The New York Times|date=2013-02-16}}</ref>
Sociologists have examined how economic and [[cultural heritage]] is transmitted across generations, which can lead to strong social inertia even during times of [[social progress]]. In particular, Bourdieu found in his studies of Algeria that even during times of rapid economic change, cultural and symbolic factors limited the flexibility of the society to quickly adapt to change.<ref>{{cite book|last=Swartz|first=David|title=After Bourdieu: Influence, Critique, Elaboration|year=2006|publisher=Springer|page=92|url=http://books.google.com/books?id=bb6iw-xIGjcC&pg=PA92&lpg=PA92&dq=bourdieu+%22social+inertia%22&source=bl&ots=UMWkCq-l44&sig=rLx3GxyCxdVdztlFFMIZnqK-D0M&hl=en&sa=X&ei=H1KMUujYD8GIiwKAy4CICw&ved=0CC8Q6AEwAA#v=onepage&q=inertia&f=false}}</ref>
 
   
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== Beispiele ==
Therefore, social inertia has been used to explain how dominant [[social classes]] maintain their status and privilege over time. Currently, this is a hotly debated topic in the [[United States]]. While [[President]] [[Barack Obama]] reaffirmed America's commitment to [[equal opportunity]] in his second [[inaugural address]], [[Nobel laureate]] [[Joseph E. Stiglitz]] believes it is a myth that modern society offers [[equal opportunity]] and high [[social mobility]] through mechanisms such as [[formal education]].<ref>{{cite news|last=Stiglitz|first=Joseph|title=Equal Opportunity, Our National Myth|url=http://opinionator.blogs.nytimes.com/2013/02/16/equal-opportunity-our-national-myth/?_r=0|accessdate=9 December 2013|newspaper=The New York Times|date=February 16, 2013}}</ref>
 
   
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=== In der Ehrenkultur ===
==Examples==
 
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Ein Beispiel sozialer Trägheit in der Kultur der Vereinigten Staaten ist die „Ehrenkultur“ (“culture of honor”), die in Teilen des Südens und des Westens existiert. In der Ehrenkultur wird [[Gewalt]] als akzeptabler Weg gesehen, um auf Kränkungen oder Gefahren des Selbst, der Familie, des Besitzes oder der [[Reputation]] einer Person zu antworten. Manche Psychologen und Historiker glauben, dass die Ehrenkultur als eine Art Zwangsordnung an der Grenze entstanden sei, als der Süden und der Westen erstmals besiedelt wurden und unzureichende [[Strafverfolgung]] und eine niedrige [[soziale Ordnung]] vorherrschten.<ref name="Cohen">{{Literatur|Autor=Dov Cohen|Titel=Culture, social organization, and patterns of violence.|Sammelwerk=Journal of Personality and Social Psychology|Band=75|Nummer=2|Verlag=|Ort=|Jahr=1998|Seiten=408–419|DOI=10.1037/0022-3514.75.2.408}}</ref> Dieser Hypothese zufolge sollte Hüten (eine einsame Aktivität) stärker mit der Ehrenkultur verbunden sein als mit der Landwirtschaft (eine zusammenwirkende Aktivität). Dennoch haben manche Wissenschaftler keine Stützung dafür gefunden. Als Forscher die Beziehung zwischen landwirtschaftlichen Praktiken im ländlichen Süden und der weißen männlichen Mordrate in diesen Regionen untersuchten, fanden sie keine höheren Mordraten in hügeligen und trockenen Landkreisen, die aufgrund dessen besser geeignet waren für das Hüten im Vergleich zur Landwirtschaft. Sie schlossen daraus, dass die Mordraten nicht die Hypothese Hüten vs. Landwirtschaft der Ehrenkultur stützten.<ref>{{Literatur|Autor=Rebekah Chu, Craig Rivera, Colin Loftin|Titel=Herding and Homicide: An Examination of the Nisbett-Reaves Hypothesis|Sammelwerk=Social Forces|Band=78|Nummer=3|Verlag=|Jahr=2000|Monat=03|Tag=01|Seiten=971–987|ISSN=1534-7605|Online=[http://sf.oxfordjournals.org/content/78/3/971 oxfordjournals.org]|DOI=10.1093/sf/78.3.971}}</ref> Deswegen wurden [[Religion]] und [[Armut]] als alternative Erklärungen für den Ursprung der Ehrenkultur vorgeschlagen.<ref>Nigel Barber: [http://www.psychologytoday.com/blog/the-human-beast/200904/is-southern-violence-due-culture-honor ''Is Southern violence due to a culture of honor?'']auf psychologytoday.com.</ref><ref name="Cohen" />
   
===In the culture of honor===
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=== In der schöpferischen Arbeit ===
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In einem Artikel aus 2013 des ''Journal of Sociology'' wendete der Soziologe Scott Brook die Theorie der sozialen Trägheit auf das Feld der schöpferischen Arbeit an. Im Speziellen war Brook damit befasst, warum so viele Studenten dabeibleiben, Abschlüsse im kreativen Bereich ([[Kunst]], [[kreatives Schreiben]]) anzustreben, selbst wenn die Mehrheit der Arbeitskräfte der Meinung ist, dass viele Studenten nach dem Abschluss keine Anstellung in diesem Bereich fänden. Selbst wenn sie in der Lage seien, eine Anstellung zu finden, verdienten sie weniger als Kollegen mit nicht-kreativen Studienabschlüssen.<ref>{{Internetquelle|autor=Scott Brook|url=http://jos.sagepub.com/content/49/2-3/309.full.pdf|hrsg=sagepub.com|titel=Social inertia and the field of creative labour|werk=|format=PDF|datum=2013|offline=|zugriff=2016-02-09|kommentar=Zugriff nur über Login}}</ref> Scott nutzte Bourdieus Auffassung der sozialen Trägheit um anzuregen, dass Studenten, die es zu der nicht-kommerziellen Natur des kreativen Bereich zog, aus Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status und „Eltern mit gescheiterten Karrieren kamen. Die Studenten traten in die Fußstapfen der Eltern indem sie Studiengänge wählten die wenig wahrscheinlich zu Karrieren mit hohem Einkommen führen, somit führt dies zu sozialer Trägheit der Einkünfte über Generationen“.
   
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=== In Kollaborationen ===
An example of social inertia in the culture of the United States is the [[Culture of honor (Southern United States)|culture of honor]] which exists in parts of the South and West. In the culture of honor, [[violence]] is seen as an acceptable way of responding to insults or threats to a person's self, family, property, or [[reputation]]. Some psychologists and historians believe that the culture of honor arose as a way of enforcing order on the frontier, when the South and West were first being settled and there was inadequate [[law enforcement]] and little [[social order]].<ref>{{cite journal|last=Cohen|first=Dov|title=Culture, Social Organization, and Patterns of Violence|journal=Journal of Personality and Social Psychology|year=1998|volume=75|issue=2|url=http://general.utpb.edu/FAC/hughes_j/Cohen_violence%20south%2098.pdf|accessdate=27 November 2013}}</ref> According to this hypothesis, herding (which is a solitary activity) should be more closely tied to the culture of honor than farming (which is a cooperative activity). However, some scholars have not found support for this. When researchers examined the relationship between agricultural practices in the rural South and the white male homicide rates in those areas, they did not find that homicide rates were higher in counties that were hilly and arid and therefore more suitable for herding vs. farming. They concluded that homicide rates did not support the herding vs. farming hypothesis for the culture of honor.<ref>{{cite journal|last=Chu|first=Rebecca|author2=Rivera, C. |author3=Loftin, C. |title=Herding and homicide: An examination of the Nisbett-Reaves hypothesis.|journal=Social Forces|year=2000|volume=78}}</ref> Therefore, [[religion]] and [[poverty]] have been offered as alternative explanations for the origins of the culture of honor.<ref>http://www.psychologytoday.com/blog/the-human-beast/200904/is-southern-violence-due-culture-honor Nigel Barber, "Is Southern violence due to a culture of honor?", ''[[Psychology Today]]'' (April 2, 2009)</ref>
 
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Soziale Trägheit wurde benutzt, um die [[Kooperation|Zusammenarbeit]] und Interaktionen zwischen Menschen zu untersuchen. Im Speziellen wurde soziale Trägheit als Maß für die fortbestehende Zusammenarbeit mit vorherigen Partnern und Mitgliedern eines Teams definiert. Eine Analyse von großformatigen, komplexen Netzwerken wie der [[Internet Movie Database]] zeigte, dass zwei Arten von „extremen“ Kollaborations-Verhaltensmustern öfter auftraten als durchschnittliches Verhalten – manche Menschen arbeiten wieder und wieder mit den selben Partnern zusammen, während andere ihre Partner häufig wechseln.<ref>{{Literatur|Autor=J. J. Ramasco|Titel=Social inertia and diversity in collaboration networks|Sammelwerk=The European Physical Journal Special Topics|Band=143|Nummer=1|Verlag=|Jahr=2007|Monat=04|Tag=01|Seiten=47–50|ISSN=1951-6355|DOI=10.1140/epjst/e2007-00069-9}}</ref>
   
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=== In Einstellungen und Einstellungsänderungen ===
Even though the economic and social circumstances of the South and West have since changed, the culture of honor persists due to social inertia. It has become a [[social norm]] in southern and western culture, and these norms persist even when economies change.<ref>{{cite journal|last=Cohen|first=Dov|title=Culture, Social Organization, and Patterns of Violence|journal=Journal of Personality and Social Psychology|year=1998|volume=75|issue=2|url=http://general.utpb.edu/FAC/hughes_j/Cohen_violence%20south%2098.pdf|accessdate=27 November 2013}}</ref>
 
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Psychologische Studien über [[Einstellung (Psychologie)|Einstellungen]] und Einstellungsänderung fanden heraus, dass Teilnehmer selbst dann unwillig sind, ihr Vertrauen in eine Annahme zu verringern, wenn sie neue Informationen erhalten, die gegen ihre ursprüngliche Annahme sprechen. Forscher postulierten dass dieser „Trägheitseffekt“ auf den psychologischen Bekenntnissen der Teilnehmer zu ihren anfänglichen Urteilen basiert.<ref>Gordon Pitz: [http://psycnet.apa.org/index.cfm?fa=buy.optionToBuy&id=1971-08094-001 ''An inertia effect (resistance to change) in the revision of opinion.''] (Abstract) In: ''Canadian Journal of Psychology.'' Februar 1969.</ref>
   
===In creative labor===
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=== In romantischen Beziehungen ===
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Einige psychologische Studien zeigten, dass voreheliches Zusammenleben mit einem gesteigerten [[Scheidung]]srisiko assoziiert ist, was als Kohabitationseffekt definiert wurde.<ref>{{Literatur|Autor=Catherine L. Cohan, Stacey Kleinbaum|Titel=Toward a Greater Understanding of the Cohabitation Effect: Premarital Cohabitation and Marital Communication|Sammelwerk=Journal of Marriage and Family|Band=64|Nummer=1|Verlag=|Jahr=2002|Monat=02|Tag=01|Seiten=180–192|ISSN=1741-3737|Online=[http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1741-3737.2002.00180.x/abstract wiley.com]|DOI=10.1111/j.1741-3737.2002.00180.x}}</ref> Forscher glauben, dass das Zusammenleben die Trägheit der Beziehung erhöht – das heißt, die Wahrscheinlichkeit ob ein Paar zusammenbleibt oder sich trennt.<ref name="FamRel">{{Literatur|Autor=Scott M. Stanley, Galena Kline Rhoades, Howard J. Markman|Titel=Sliding Versus Deciding: Inertia and the Premarital Cohabitation Effect|Sammelwerk=Family Relations|Band=55|Nummer=4|Verlag=|Ort=|Jahr=2006|Seiten=499–509|Online=[http://www.jstor.org/stable/40005344 jstor.org]}}</ref> Trägheit bei zusammenlebenden Paaren tritt deswegen auf, weil das Zusammenleben der Beziehung gewisse Bedingungen auferlegt (geteilte Miete etc.), was die Beendigung der Beziehung erschwert. Deshalb wird ein zusammenlebendes Paar die Beziehung weiter aufrechterhalten, auch wenn es nicht zusammenpasst. Weil das Zusammenleben ein nicht eindeutiges Bekenntnis im Vergleich zur [[Ehe]] repräsentiert, erhöht es wahrscheinlich nicht die Hingabe des jeweiligen Partners. Die Partner „rutschen“ eher in die Ehe aufgrund des Zusammenlebens, anstatt eine klare Entscheidung sich zu einander zu bekennen zu treffen, was zu Problemen in der zukünftigen Ehe führt.<ref name="FamRel" />
   
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Dennoch ist die Forschung, ob höhere Scheidungsraten auf den Kohabitationseffekt zurückzuführen sind, uneinheitlich. Zum Beispiel haben Forscher gefunden, dass die Beziehung zwischen Zusammenleben und Scheidung auch von anderen Faktoren, wie der Zeitpunkt der Hochzeit (z.B. Ehen die nach 1996 geschlossen wurden, zeigten keinen Kohabitationseffekt), Rasse/ethnische Zugehörigkeit und den Heiratsplänen während des Zusammenziehens abhängt.<ref>Wendy D. Manning, Jessica A. Cohen: [http://paa2011.princeton.edu/papers/112067 ''Cohabitation and Marital Dissolution: The Significance of Marriage Cohort.''] auf princeton.edu.</ref> Andere Studien haben gezeigt dass das, was Kohabitations-Effekt genannt wird, sich auch gänzlich zu anderen Faktoren zuordnen lässt.<ref>Ruth Weston, Lixia Qu, David de Vaus: [https://www.melbourneinstitute.com/downloads/hilda/Bibliography/HILDA_Conference_Papers/2003_papers/RWeston.pdf ''Premarital cohabitation and subsequent marital stability.''] (PDF) In: ''Australian Institute of Family Studies.'' Nr. 65. University of Melbourne, Melbourne, Australia 13. März 2003.</ref>
In a 2013 journal article in the ''[[Journal of Sociology]]'', sociologist Scott Brook applied the theory of social inertia to the field of creative labor. Specifically, Brook was concerned with why so many students would continue to seek degrees in creative fields (such as [[the arts]] and [[creative writing]]), even when the oversupply of labor meant that many students were unable to find employment in those fields after graduation. Even if they were able to find employment, they earned less than their peers with non-creative degrees.<ref>{{cite journal|last=Brook|first=Scott|title=Social inertia and the field of creative labour|journal=Journal of Sociology|year=2013|volume=49|issue=2-3|url=http://jos.sagepub.com/content/49/2-3/309.full.pdf}}</ref> Scott used Bourdieu’s notion of social inertia to suggest that students who were drawn to the non-commercial nature of creative fields came from families with low [[socioeconomic status]] and whose parents had not been able to develop a career themselves. Students followed in their parents' footsteps by choosing educational pursuits which were less likely to lead to high-earning careers, thus leading to social inertia in income across generations.
 
   
===In collaborations===
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=== Im Tierverhalten ===
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Der Begriff soziale Trägheit wurde von A.M. Guhl 1968 benutzt, um Dominanz-Hierarchien in Tiergruppen zu beschreiben.<ref>{{Literatur|Autor=Manee Archawaranon, Lorna Dove, R. Haven Wiley|Titel=Social Inertia and Hormonal Control of Aggression and Dominance in White-Throated Sparrows|Sammelwerk=Behaviour|Band=118|Nummer=1|Verlag=|Jahr=1991|Seiten=42–65|ISSN=1568-539X|Online=[http://booksandjournals.brillonline.com/content/journals/10.1163/156853991x00193 brillonline.com]|DOI=10.1163/156853991X00193}}</ref> Studien über Tierverhalten fanden, dass Gruppen von Tieren soziale Ordnungen oder soziale Hierarchien gründen können, die relativ fix und stabil sind.<ref name="Guhl">{{Literatur|Autor=A. M. Guhl|Titel=Psychophysiological interrelations in the social behavior of chickens.|Sammelwerk=Psychological Bulletin|Band=61|Nummer=4|Verlag=|Ort=|Jahr=1964|Monat=04|Seiten=277–285|DOI=10.1037/h0044799}}</ref> Zum Beispiel gründen [[Haushuhn|Hühner]] eine soziale Ordnung in der Gruppe, die auf einer [[Rangordnung (Biologie)|Hackordnung]] basiert. Auch wenn manche der Hühner mit einem [[Androgene|Androgen]] behandelt wurden, um ihre Aggressivität zu steigern, unterdrückte die entwickelte soziale Ordnung die Entfaltung des aggressiven Verhaltens, sodass die soziale Ordnung aufrechterhalten blieb.<ref name="Guhl" />
   
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Derselbe Effekt wurde sowohl bei anderen [[Systematik der Vögel|Vogelarten]] als auch bei Invertebraten wie soziale Wespen und dem [[Totengräber (Käfer)|Totengräber-Käfer]] N.orbicollis gefunden. Forscher haben die Theorie, dass dieser Mangel an Veränderung in sozialen Hierarchien, selbst unter dem Einfluss von [[Aggression]]shormonen, auf Effekten von Vertrautheit basiert – Tiere lernen ihren Platz in der sozialen Hierarchie einer Gruppe innerhalb der ersten wenigen Begegnungen mit anderen Gruppenmitgliedern.<ref>{{Literatur|Autor=Rong Kou, Szu-Ying Chou, Shu-Chun Chen, Zachary Y. Huang|Titel=Juvenile hormone and the ontogeny of cockroach aggression|Sammelwerk=Hormones and Behavior|Band=56|Nummer=3|Verlag=|Ort=|Jahr=2009|Monat=09|Tag=01|Seiten=332–338|Online=[http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0018506X0900141X sciencedirect.com]|DOI=10.1016/j.yhbeh.2009.06.011}}</ref> Dies verursacht, dass niedriger gestellte Tiere, die mit Aggressionshormonen behandelt wurden, sich aggressiv gegenüber Tieren aus anderen Gruppen verhalten, jedoch nicht gegenüber dominanten Mitgliedern aus der eigenen Gruppe.<ref>{{Literatur|Autor=R. Haven Wiley, Laura Steadman, Laura Chadwick, Lori Wollerman|Titel=Social inertia in white-throated sparrows results from recognition of opponents|Sammelwerk=Animal Behaviour|Band=57|Nummer=2|Verlag=|Ort=|Jahr=1999|Monat=02|Tag=01|Seiten=453–463|Online=[http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0003347298909915 sciencedirect.com]|PMID=10049486|DOI=10.1006/anbe.1998.0991}}</ref>
Social inertia has been used as a way of studying [[collaboration]]s and [[social interaction|interactions]] between people. Specifically, social inertia has been defined as a measurement of how likely people are to continue collaborating with previous partners or members of the same team. An analysis of large-scale, complex networks such as the [[Internet Movie Database|IMDb]] showed that two types of "extreme" collaboration behaviors appeared more than average - some people collaborate with the same partners over and over again, while others change partners frequently.<ref>{{cite journal|last=Ramasco|first=J.J.|title=Social inertia and diversity in collaboration networks|journal=European Physical Journal Special Topics|year=2007|volume=143|url=http://download.springer.com/static/pdf/319/art%253A10.1140%252Fepjst%252Fe2007-00069-9.pdf?auth66=1385688640_e0f847c727c28d8ea0cbf38de3da47f7&ext=.pdf}}</ref>
 
   
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== Verwandte Konzepte ==
===In attitudes and attitude change===
 
   
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Der Psychologe Michael Zarate hat den Begriff „kulturelle Trägheit“ kreiert, um auf Reaktionen zu sozialem Wandel, wie zum Beispiel die, die durch [[Einwanderung|Immigration]] verursacht werden, einzugehen. Kulturelle Trägheit ist definiert als Wunsch, kulturellen Wandel zu vermeiden und auch als Wunsch den Wandel zu stoppen, wenn er schon eingetreten ist. Innerhalb des Rahmens der kulturellen Trägheit ist die dominante Gruppe stabil und widersteht kulturellem Wandel, während untergeordnete Gruppen kulturelle Veränderungen wünschen, die ihre kulturellen Traditionen einbeziehen, sodass sie sich nicht in die dominante Kultur [[Integration (Soziologie)|integrieren]] müssen. Im Zusammenhang mit den Vereinigten Staaten und Immigration schlägt das System vor, dass Mitglieder der weißen Mehrheit dem kulturellen Wandel, der von Immigration stammt, standhalten, während Immigranten-Gruppen versuchen, Veränderung in der amerikanischen Kultur in Gang zu setzen.<ref name="effects">{{Literatur|Autor=Michael A. Zárate, Moira Shaw, Jorge A. Marquez, David Biagas Jr.|Titel=Cultural inertia: The effects of cultural change on intergroup relations and the self-concept|Sammelwerk=Journal of Experimental Social Psychology|Band=48|Nummer=3|Verlag=|Ort=|Jahr=2012|Monat=05|Tag=01|Seiten=634–645|Online=[http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0022103111003040 sciencedirect.com]|DOI=10.1016/j.jesp.2011.12.014}}</ref>
Psychological studies on [[attitude (psychology)|attitude]]s and [[attitude change]] have found that participants are reluctant to reduce their confidence in an estimate that they have made even after they receive new information that goes against their original estimate. Researchers have hypothesized that this "inertia effect" is due to participants' psychological commitment to their initial judgments.<ref>{{cite journal|last=Pitz|first=Gordon|title=An inertia effect (resistance to change) in the revision of opinion.|journal=Canadian Journal of Psychology|date=February 1969|volume=23|issue=1|url=http://psycnet.apa.org/index.cfm?fa=buy.optionToBuy&id=1971-08094-001}}</ref>
 
   
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Kulturelle Trägheit steht in Beziehung zu sozialpsychologischen Theorien wie dem instrumentalen Modell des Gruppenkonflikts, [[Akkulturation|kultureller Anpassung]] und der System Justification Theory. Sie trägt zu [[Vorurteil]]en über Gruppen, aufgrund der Angst von Gruppen vor kulturellem Wandel, bei.<ref name="effects" />
===In romantic relationships===
 
   
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== Siehe auch ==
Some psychological studies have shown that premarital [[cohabitation]] (living together before [[marriage]]) is associated with an increased risk of [[divorce]], and this has been termed the cohabitation effect.<ref>{{cite journal|last=Cohan|first=C.L.|author2=Kleinbaum, S. |title=Toward a Greater Understanding of the Cohabitation Effect: Premarital Cohabitation and Marital Communication|journal=Journal of Marriage and Family|year=2002|volume=64|url=http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1741-3737.2002.00180.x/abstract|doi=10.1111/j.1741-3737.2002.00180.x}}</ref> Researchers believe that one reason for this effect is that living together increases the inertia of the relationship - i.e., the likelihood that a couple will continue to stay together vs. break up.<ref>{{cite journal|last=Stanley|first=Scott|coauthors=Rhoades, Galena Kline & Markman, Howard|title=Sliding Versus Deciding: Inertia and the Premarital Cohabitation Effect|journal=Family Relations|year=2006|volume=55|url=http://www.jstor.org/discover/10.2307/40005344?uid=3739448&uid=2&uid=3737720&uid=4&sid=21103065531103|accessdate=27 November 2013|jstor=40005344}}</ref> Inertia in cohabiting couples occurs because living together imposes constraints on a relationship (a shared lease, etc.) that make relationships harder to end. Therefore, a cohabiting couple may stay together even if they are not compatible. Because living together represents an ambiguous form of commitment compared with marriage, cohabiting may not increase the levels of dedication in either partner. Partners may "slide" into marriage through cohabitation instead of making a firm decision to commit to each other, leading to problems in the marriage in the future.<ref>{{cite journal|last=Stanley|first=Scott|coauthors=Rhoades, Galena Kline & Markman, Howard|title=Sliding Versus Deciding: Inertia and the Premarital Cohabitation Effect|journal=Family Relations|year=2006|volume=55|url=http://www.jstor.org/discover/10.2307/40005344?uid=3739448&uid=2&uid=3737720&uid=4&sid=21103065531103|accessdate=27 November 2013|jstor=40005344}}</ref>
 
 
* [[Wikipedia:de:Status Quo Bias]]
  +
* [[Wikipedia:de:Soziale Norm]]
   
  +
== Einzelnachweise ==
However, the research on whether higher divorce rates are due to the cohabitation effect are mixed. For example, researchers have found that the relationship between cohabitation and divorce also depends on factors such as when the couple was married (for example, marriages which take place after 1996 do not show the cohabitation effect), their race/ethnicity, and their marriage plans at the time of cohabitation.<ref>{{cite journal
 
  +
<references />
|authors=Wendy D. Manning,Jessica A. Cohen
 
  +
[[Kategorie:Soziologie]]
|url=http://paa2011.princeton.edu/papers/112067
 
  +
[[Kategorie:Sozialpsychologie]]
|publisher=[[Princeton University]]
 
|title=Cohabitation and Marital Dissolution: The Significance of Marriage Cohort
 
}}</ref> Other studies have found that what has been called the cohabitation effect is entirely attributable to other factors.<ref>{{cite journal|title=Premarital cohabitation and subsequent marital stability
 
|author=Family Matters
 
|year=2003
 
|issue=65
 
|url=http://www.aifs.gov.au/institute/pubs/fm2003/fm65/dev2.pdf
 
|publisher=[[Australian Institute of Family Studies]]}}</ref>
 
 
===In animal behavior===
 
The term social inertia was used by A.M. Guhl in 1968 to describe [[dominance hierarchy|dominance hierarchies]] in animal groups.<ref>{{cite journal|last=Archawaranon|first=Manee|coauthors=Dove, Lorna, Wiley, R. Haven|title=Social inertia and hormonal control of aggression and dominance in white-throated sparrows.|journal=Behaviour|year=1991|volume=118|issue=1|jstor=4534953}}</ref> Studies of animal behavior have found that groups of animals can form social orders or [[social hierarchy|social hierarchies]] that are relatively fixed and stable.<ref>{{cite journal|last=Guhl|first=A.M.|title=Psychophysiological interrelations in the social behavior of chickens.|journal=Psychological Bulletin|date=April 1964|volume=61|issue=4|url=http://psycnet.apa.org/journals/bul/61/4/277/|accessdate=20 November 2013}}</ref> For example, [[chickens]] establish a social order within the group based on [[pecking order|pecking behaviors]]. Even when some of the chickens were treated with an [[androgen]] to increase their aggressiveness, the established social order suppressed their exhibition of aggressive behaviors so that social order was maintained.<ref>{{cite journal|last=Guhl|first=A.M.|title=Psychophysiological interrelations in the social behavior of chickens.|journal=Psychological Bulletin|date=April 1964|volume=61|issue=4|url=http://psycnet.apa.org/journals/bul/61/4/277/|accessdate=20 November 2013}}</ref>
 
 
This same effect has been found in other [[birds]] as well as in invertebrates such as [[social wasp]]s and the [[burying beetle]] N. orbicollis. Researchers theorize that this lack of change in social hierarchies even under the influence of [[aggression]] hormones is due to the effects of familiarity - animals learn their place in the social hierarchy of a group within the first few encounters with other group members.<ref>{{cite journal|last=Kou|first=Ron|author2=Chou, Szu-Ying |author3=Chen, Shu-Chin |author4= Huang, Zachary |title=Juvenile hormone and the ontogeny of cockroach aggression|journal=Hormones and Behavior|date=September 2009|volume=56|issue=3|url=http://scholar.google.com/scholar_url?hl=en&q=http://www.researchgate.net/publication/26660786_Juvenile_hormone_and_the_ontogeny_of_cockroach_aggression/file/d912f50bb8afb9a71f.pdf&sa=X&scisig=AAGBfm0V365CaPMM04i1HVxp5bksupupeQ&oi=scholarr|accessdate=20 November 2013}}</ref> This will cause low-ranking animals treated with aggression hormones to behave aggressively towards animals from other groups but not towards dominant members of their own group.<ref>{{cite journal|last=Wiley|first=R. Haven|author2=Steadman, Laura |author3=Chadwick, Laura |author4= Wollerman, Lori |title=Social inertia in white-throated sparrows results from recognition of opponents|journal=Animal Behaviour|date=February 1999|volume=57|issue=2|pmid=10049486 |doi=10.1006/anbe.1998.0991 |pages=453–463}}</ref>
 
 
==Related concepts==
 
 
===Cultural inertia===
 
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The psychologist Michael Zarate has coined the term "cultural inertia" to refer to reactions to social change, such as those caused by [[immigration]]. Cultural inertia is defined as the desire to avoid cultural change, and also the desire for change to continue once it is already occurring. Within the cultural inertia framework, the dominant group is stable and resists cultural change, while subordinate groups desire cultural changes which incorporate their cultural traditions so that they don't have to [[assimilation effect|assimilate]] into the dominant culture. In the context of the United States and immigration, the framework suggests that white majority members resist the cultural change that occurs from immigration, while immigrant groups try to enact change in U.S. culture.<ref>Zárate, M. A., Shaw, M., Marquez, J. A., & Biagas, D., Jr. (2012). Cultural inertia: The effects of cultural change on intergroup relations and the self-concept. ''Journal of Experimental Social Psychology'', 48(3), 634-645. doi:http://dx.doi.org/10.1016/j.jesp.2011.12.014</ref>
 
 
Cultural inertia is related to [[social psychology|social psychological]] theories such as the instrumental model of [[group conflict]], [[acculturation|acculturative]] fit, and [[system justification theory]]. It is a contributor to intergroup [[prejudice]] due to groups' fear of cultural change.<ref>Zárate, M. A., Shaw, M., Marquez, J. A., & Biagas, D., Jr. (2012). Cultural inertia: The effects of cultural change on intergroup relations and the self-concept. ''Journal of Experimental Social Psychology'', 48(3), 634-645. doi:http://dx.doi.org/10.1016/j.jesp.2011.12.014</ref>
 
 
==See also==
 
* [[Social conservatism]]
 
* [[Status quo bias]]
 
* [[System justification]]
 
* [[Norm (social)]]
 
 
==References==
 
{{reflist|30em}}
 
 
[[Category:Psychological concepts]]
 
[[Category:Sociological terminology]]
 

Aktuelle Version vom 11. Februar 2016, 18:30 Uhr

In der Psychologie und Soziologie bezeichnet soziale Trägheit den Widerstand gegen Veränderung in Gesellschaften oder sozialen Gruppen sowie die Ausdauer von stabilen Beziehungen. Soziale Trägheit bezeichnet das Gegenteil von sozialem Wandel.

Übersicht

Die Idee der sozialen Trägheit lässt sich auf den französischen Soziologen Pierre Bourdieu zurückführen. Nach Bourdieu besetzt jede Person eine Position in einem sozialen Raum, der aus ihrer sozialen Schicht sowie aus den sozialen Beziehungen und sozialen Netzwerken besteht. Durch das Engagement des Individuums im sozialen Raum entwickelt es eine Reihe von Verhaltensweisen, Lebensarten und Gewohnheiten (die Bourdieu als Habitus bezeichnet), die oft dazu dienen den Status quo aufrechtzuerhalten. Dadurch sind Menschen ermutigt „die soziale Welt zu akzeptieren wie sie ist, sie lieber für selbstverständlich zu halten, als dagegen zu rebellieren und sie mit ihren gegensätzlichen, sogar antagonistischen Möglichkeiten zu vergleichen.“[1] Dies kann die Kontinuität der sozialen Ordnung über die Zeit erklären.[2]

Soziologen haben untersucht, wie das wirtschaftliche und kulturelle Erbe über Generationen weitergegeben wird, was zu starker sozialer Trägheit, selbst während Zeiten sozialen Fortschritts, führen kann. Im Besonderen fand Bourdieu in seinen Algerien-Studien, dass selbst in Zeiten von schnellem, wirtschaftlichem Wandel kulturelle und symbolische Faktoren die Flexibilität der Gesellschaft, sich rasch an den Wandel anzupassen, einschränkten.[2]

Deshalb wurde soziale Trägheit benutzt, um zu erklären, wie dominante soziale Schichten ihren Status und ihr Privileg über die Zeit aufrechterhalten. Momentan ist dies ein heiß diskutiertes Thema in den Vereinigten Staaten. Während Präsident Barack Obama Amerikas Bekenntnis zur Chancengleichheit in seiner zweiten Antrittsrede beteuerte, glaubt Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz es sei ein Mythos, dass die moderne Gesellschaft Chancengleichheit und hohe soziale Mobilität durch Mechanismen wie Schulbildung bietet.[3]

Beispiele

In der Ehrenkultur

Ein Beispiel sozialer Trägheit in der Kultur der Vereinigten Staaten ist die „Ehrenkultur“ (“culture of honor”), die in Teilen des Südens und des Westens existiert. In der Ehrenkultur wird Gewalt als akzeptabler Weg gesehen, um auf Kränkungen oder Gefahren des Selbst, der Familie, des Besitzes oder der Reputation einer Person zu antworten. Manche Psychologen und Historiker glauben, dass die Ehrenkultur als eine Art Zwangsordnung an der Grenze entstanden sei, als der Süden und der Westen erstmals besiedelt wurden und unzureichende Strafverfolgung und eine niedrige soziale Ordnung vorherrschten.[4] Dieser Hypothese zufolge sollte Hüten (eine einsame Aktivität) stärker mit der Ehrenkultur verbunden sein als mit der Landwirtschaft (eine zusammenwirkende Aktivität). Dennoch haben manche Wissenschaftler keine Stützung dafür gefunden. Als Forscher die Beziehung zwischen landwirtschaftlichen Praktiken im ländlichen Süden und der weißen männlichen Mordrate in diesen Regionen untersuchten, fanden sie keine höheren Mordraten in hügeligen und trockenen Landkreisen, die aufgrund dessen besser geeignet waren für das Hüten im Vergleich zur Landwirtschaft. Sie schlossen daraus, dass die Mordraten nicht die Hypothese Hüten vs. Landwirtschaft der Ehrenkultur stützten.[5] Deswegen wurden Religion und Armut als alternative Erklärungen für den Ursprung der Ehrenkultur vorgeschlagen.[6][4]

In der schöpferischen Arbeit

In einem Artikel aus 2013 des Journal of Sociology wendete der Soziologe Scott Brook die Theorie der sozialen Trägheit auf das Feld der schöpferischen Arbeit an. Im Speziellen war Brook damit befasst, warum so viele Studenten dabeibleiben, Abschlüsse im kreativen Bereich (Kunst, kreatives Schreiben) anzustreben, selbst wenn die Mehrheit der Arbeitskräfte der Meinung ist, dass viele Studenten nach dem Abschluss keine Anstellung in diesem Bereich fänden. Selbst wenn sie in der Lage seien, eine Anstellung zu finden, verdienten sie weniger als Kollegen mit nicht-kreativen Studienabschlüssen.[7] Scott nutzte Bourdieus Auffassung der sozialen Trägheit um anzuregen, dass Studenten, die es zu der nicht-kommerziellen Natur des kreativen Bereich zog, aus Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status und „Eltern mit gescheiterten Karrieren kamen. Die Studenten traten in die Fußstapfen der Eltern indem sie Studiengänge wählten die wenig wahrscheinlich zu Karrieren mit hohem Einkommen führen, somit führt dies zu sozialer Trägheit der Einkünfte über Generationen“.

In Kollaborationen

Soziale Trägheit wurde benutzt, um die Zusammenarbeit und Interaktionen zwischen Menschen zu untersuchen. Im Speziellen wurde soziale Trägheit als Maß für die fortbestehende Zusammenarbeit mit vorherigen Partnern und Mitgliedern eines Teams definiert. Eine Analyse von großformatigen, komplexen Netzwerken wie der Internet Movie Database zeigte, dass zwei Arten von „extremen“ Kollaborations-Verhaltensmustern öfter auftraten als durchschnittliches Verhalten – manche Menschen arbeiten wieder und wieder mit den selben Partnern zusammen, während andere ihre Partner häufig wechseln.[8]

In Einstellungen und Einstellungsänderungen

Psychologische Studien über Einstellungen und Einstellungsänderung fanden heraus, dass Teilnehmer selbst dann unwillig sind, ihr Vertrauen in eine Annahme zu verringern, wenn sie neue Informationen erhalten, die gegen ihre ursprüngliche Annahme sprechen. Forscher postulierten dass dieser „Trägheitseffekt“ auf den psychologischen Bekenntnissen der Teilnehmer zu ihren anfänglichen Urteilen basiert.[9]

In romantischen Beziehungen

Einige psychologische Studien zeigten, dass voreheliches Zusammenleben mit einem gesteigerten Scheidungsrisiko assoziiert ist, was als Kohabitationseffekt definiert wurde.[10] Forscher glauben, dass das Zusammenleben die Trägheit der Beziehung erhöht – das heißt, die Wahrscheinlichkeit ob ein Paar zusammenbleibt oder sich trennt.[11] Trägheit bei zusammenlebenden Paaren tritt deswegen auf, weil das Zusammenleben der Beziehung gewisse Bedingungen auferlegt (geteilte Miete etc.), was die Beendigung der Beziehung erschwert. Deshalb wird ein zusammenlebendes Paar die Beziehung weiter aufrechterhalten, auch wenn es nicht zusammenpasst. Weil das Zusammenleben ein nicht eindeutiges Bekenntnis im Vergleich zur Ehe repräsentiert, erhöht es wahrscheinlich nicht die Hingabe des jeweiligen Partners. Die Partner „rutschen“ eher in die Ehe aufgrund des Zusammenlebens, anstatt eine klare Entscheidung sich zu einander zu bekennen zu treffen, was zu Problemen in der zukünftigen Ehe führt.[11]

Dennoch ist die Forschung, ob höhere Scheidungsraten auf den Kohabitationseffekt zurückzuführen sind, uneinheitlich. Zum Beispiel haben Forscher gefunden, dass die Beziehung zwischen Zusammenleben und Scheidung auch von anderen Faktoren, wie der Zeitpunkt der Hochzeit (z.B. Ehen die nach 1996 geschlossen wurden, zeigten keinen Kohabitationseffekt), Rasse/ethnische Zugehörigkeit und den Heiratsplänen während des Zusammenziehens abhängt.[12] Andere Studien haben gezeigt dass das, was Kohabitations-Effekt genannt wird, sich auch gänzlich zu anderen Faktoren zuordnen lässt.[13]

Im Tierverhalten

Der Begriff soziale Trägheit wurde von A.M. Guhl 1968 benutzt, um Dominanz-Hierarchien in Tiergruppen zu beschreiben.[14] Studien über Tierverhalten fanden, dass Gruppen von Tieren soziale Ordnungen oder soziale Hierarchien gründen können, die relativ fix und stabil sind.[15] Zum Beispiel gründen Hühner eine soziale Ordnung in der Gruppe, die auf einer Hackordnung basiert. Auch wenn manche der Hühner mit einem Androgen behandelt wurden, um ihre Aggressivität zu steigern, unterdrückte die entwickelte soziale Ordnung die Entfaltung des aggressiven Verhaltens, sodass die soziale Ordnung aufrechterhalten blieb.[15]

Derselbe Effekt wurde sowohl bei anderen Vogelarten als auch bei Invertebraten wie soziale Wespen und dem Totengräber-Käfer N.orbicollis gefunden. Forscher haben die Theorie, dass dieser Mangel an Veränderung in sozialen Hierarchien, selbst unter dem Einfluss von Aggressionshormonen, auf Effekten von Vertrautheit basiert – Tiere lernen ihren Platz in der sozialen Hierarchie einer Gruppe innerhalb der ersten wenigen Begegnungen mit anderen Gruppenmitgliedern.[16] Dies verursacht, dass niedriger gestellte Tiere, die mit Aggressionshormonen behandelt wurden, sich aggressiv gegenüber Tieren aus anderen Gruppen verhalten, jedoch nicht gegenüber dominanten Mitgliedern aus der eigenen Gruppe.[17]

Verwandte Konzepte

Der Psychologe Michael Zarate hat den Begriff „kulturelle Trägheit“ kreiert, um auf Reaktionen zu sozialem Wandel, wie zum Beispiel die, die durch Immigration verursacht werden, einzugehen. Kulturelle Trägheit ist definiert als Wunsch, kulturellen Wandel zu vermeiden und auch als Wunsch den Wandel zu stoppen, wenn er schon eingetreten ist. Innerhalb des Rahmens der kulturellen Trägheit ist die dominante Gruppe stabil und widersteht kulturellem Wandel, während untergeordnete Gruppen kulturelle Veränderungen wünschen, die ihre kulturellen Traditionen einbeziehen, sodass sie sich nicht in die dominante Kultur integrieren müssen. Im Zusammenhang mit den Vereinigten Staaten und Immigration schlägt das System vor, dass Mitglieder der weißen Mehrheit dem kulturellen Wandel, der von Immigration stammt, standhalten, während Immigranten-Gruppen versuchen, Veränderung in der amerikanischen Kultur in Gang zu setzen.[18]

Kulturelle Trägheit steht in Beziehung zu sozialpsychologischen Theorien wie dem instrumentalen Modell des Gruppenkonflikts, kultureller Anpassung und der System Justification Theory. Sie trägt zu Vorurteilen über Gruppen, aufgrund der Angst von Gruppen vor kulturellem Wandel, bei.[18]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Pierre Bourdieu: The social space and the genesis of groups. In: Theory and Society. Band 14, Nr. 6, 1. November 1985, ISSN 1573-7853, S. 723–744, doi:10.1007/BF00174048.
  2. 2,0 2,1 David L. Swartz, Vera L. Zolberg: After Bourdieu: Influence, Critique, Elaboration. Springer Science & Business Media, 2006, ISBN 1-4020-2589-0, S. 92 (books.google.com).
  3. Joseph Stiglitz: Equal Opportunity, Our National Myth. In: The New York Times, 16. Februar 2013. Abgerufen am 9. Dezember 2013. 
  4. 4,0 4,1 Dov Cohen: Culture, social organization, and patterns of violence. In: Journal of Personality and Social Psychology. Band 75, Nr. 2, 1998, S. 408–419, doi:10.1037/0022-3514.75.2.408.
  5. Rebekah Chu, Craig Rivera, Colin Loftin: Herding and Homicide: An Examination of the Nisbett-Reaves Hypothesis. In: Social Forces. Band 78, Nr. 3, 1. März 2000, ISSN 1534-7605, S. 971–987, doi:10.1093/sf/78.3.971 (oxfordjournals.org).
  6. Nigel Barber: Is Southern violence due to a culture of honor?auf psychologytoday.com.
  7. Scott Brook: Social inertia and the field of creative labour. (PDF) sagepub.com, 2013, abgerufen am 9. Februar 2016 (Zugriff nur über Login).
  8. J. J. Ramasco: Social inertia and diversity in collaboration networks. In: The European Physical Journal Special Topics. Band 143, Nr. 1, 1. April 2007, ISSN 1951-6355, S. 47–50, doi:10.1140/epjst/e2007-00069-9.
  9. Gordon Pitz: An inertia effect (resistance to change) in the revision of opinion. (Abstract) In: Canadian Journal of Psychology. Februar 1969.
  10. Catherine L. Cohan, Stacey Kleinbaum: Toward a Greater Understanding of the Cohabitation Effect: Premarital Cohabitation and Marital Communication. In: Journal of Marriage and Family. Band 64, Nr. 1, 1. Februar 2002, ISSN 1741-3737, S. 180–192, doi:10.1111/j.1741-3737.2002.00180.x (wiley.com).
  11. 11,0 11,1 Scott M. Stanley, Galena Kline Rhoades, Howard J. Markman: Sliding Versus Deciding: Inertia and the Premarital Cohabitation Effect. In: Family Relations. Band 55, Nr. 4, 2006, S. 499–509 (jstor.org).
  12. Wendy D. Manning, Jessica A. Cohen: Cohabitation and Marital Dissolution: The Significance of Marriage Cohort. auf princeton.edu.
  13. Ruth Weston, Lixia Qu, David de Vaus: Premarital cohabitation and subsequent marital stability. (PDF) In: Australian Institute of Family Studies. Nr. 65. University of Melbourne, Melbourne, Australia 13. März 2003.
  14. Manee Archawaranon, Lorna Dove, R. Haven Wiley: Social Inertia and Hormonal Control of Aggression and Dominance in White-Throated Sparrows. In: Behaviour. Band 118, Nr. 1, 1991, ISSN 1568-539X, S. 42–65, doi:10.1163/156853991X00193 (brillonline.com).
  15. 15,0 15,1 A. M. Guhl: Psychophysiological interrelations in the social behavior of chickens. In: Psychological Bulletin. Band 61, Nr. 4, April 1964, S. 277–285, doi:10.1037/h0044799.
  16. Rong Kou, Szu-Ying Chou, Shu-Chun Chen, Zachary Y. Huang: Juvenile hormone and the ontogeny of cockroach aggression. In: Hormones and Behavior. Band 56, Nr. 3, 1. September 2009, S. 332–338, doi:10.1016/j.yhbeh.2009.06.011 (sciencedirect.com).
  17. R. Haven Wiley, Laura Steadman, Laura Chadwick, Lori Wollerman: Social inertia in white-throated sparrows results from recognition of opponents. In: Animal Behaviour. Band 57, Nr. 2, 1. Februar 1999, S. 453–463, doi:10.1006/anbe.1998.0991, PMID 10049486 (sciencedirect.com).
  18. 18,0 18,1 Michael A. Zárate, Moira Shaw, Jorge A. Marquez, David Biagas Jr.: Cultural inertia: The effects of cultural change on intergroup relations and the self-concept. In: Journal of Experimental Social Psychology. Band 48, Nr. 3, 1. Mai 2012, S. 634–645, doi:10.1016/j.jesp.2011.12.014 (sciencedirect.com).