Als Schnodderdeutsch (kann man auch mit Kanakendeutsch[1] assoziieren) wird ein Sprachstil bezeichnet, der eine Mischung aus Kneipenjargon und Jugendsprache beinhaltet.[1][2] Die Bezeichnung geht auf Rainer Brandt, einen Berliner Synchronsprecher und Dialogautor, zurück. Im Hinblick auf Zweck und Form wird Schnodderdeutsch wie folgt beschrieben: „Solch eine Erscheinungsform der deutschen Sprache wird zum Zweck des Humors und der Satire gebraucht und ist durch Neologismen, scheinbare Sprichwörter, untypische Metaphern und Vergleiche, Stilbrüche, Normverstöße und Logikbrüche charakterisiert.“[3]
Entstehung, Serien und Filme
Brandt synchronisierte in den 1960er-Jahren Rollen in mehreren „Motorradrocker“-Filmen und bemängelte, dass die deutschen Fassungen zu steril und stellenweise auch falsch übersetzt seien gegenüber den Originalversionen in kalifornischem Slang. Daraufhin wurde er selbst mit dem Schreiben der deutschen Dialoge beauftragt, in die er „Berlinismen, Jiddisch, ein bisschen Unterwelt und etwas Gosse“[4] einfließen ließ. Außerdem wurden häufig in eigentlich dialogfreien Szenen Kalauer aus dem Off eingebaut. Der Stil wurde zum Markenzeichen vieler Synchronisationen im Serienbereich in den 70er und 80er Jahren, für deren Bücher meist Rainer Brandt und Karlheinz Brunnemann von der Deutsche Synchron, später auch der Rainer Brandt Filmproduktions-GmbH, verantwortlich zeichneten.
Seine Vorgehensweise beim Übersetzen beschreibt Brandt so: „Ich sehe mir den Film erst mit Ton an, und dann noch mal ohne Ton. Und ich gucke mir genau die Bewegungen an und überlege mir, was man daraus machen kann.“ Nachdem Rainer Brandt seine eigene Synchronfirma gegründet hat, fuhren sowohl er als auch Brunnemann erfolgreich damit fort, Filme mit Schnodder-Synchro zu versehen.
Zu den Serien mit Schnoddersynchro zählen beispielsweise:
- Rauchende Colts: Buch: Rainer Brandt[5]
- Tennisschläger und Kanonen: Buch: Rainer Brandt, Karlheinz Brunnemann, Michael Richter[6]
- Ihr Auftritt, Al Mundy: Rainer Brandt, Karlheinz Brunnemann[7]
- Department S: Buch: Karlheinz Brunnemann, Rainer Brandt[8]
- Jason King: Buch: Karlheinz Brunnemann[9]
- Mini-Max: Buch: Rainer Brandt[10]
Den größten Erfolg erzielte das Schnodderdeutsch 1972 durch die Fernsehserie Die Zwei. Rainer Brandt selbst sprach Tony Curtis, für Roger Moore war Lothar Blumhagen zu hören, und Karlheinz Brunnemann übernahm mehrere Gastrollen. Zunächst war das ZDF von der Bearbeitung allerdings wenig begeistert und der zuständige Redakteur vermutete einen Scherz.[11] Die Anfang der 1990er-Jahre von Brandt bearbeitete Serie Ein Käfig voller Helden war eine der letzten Arbeiten in diesem Stil.
Auch in viele Filme wurden mit Synchronisationen im Schnodderdeutsch-Stil versehen. Dazu zählen die meisten Filme von Bud Spencer und Terence Hill, bei denen entweder Karlheinz Brunnemann oder Rainer Brandt für das Buch und die Regie verantwortlich war:
- Karlheinz Brunnemann: Gott vergibt… Django nie!,[12] Zwei wie Pech und Schwefel,[13] Zwei außer Rand und Band,[14] Zwei sind nicht zu bremsen,[15] Zwei Asse trumpfen auf[16]
- Rainer Brandt: Vier Fäuste für ein Halleluja (2. Fassung),[17] Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle,[18] Zwei Missionare,[19] Das Krokodil und sein Nilpferd,[20] Vier Fäuste gegen Rio[21]
Einige Bearbeitungen stammen auch aus der Feder von Arne Elsholtz. So zum Beispiel Vier für ein Ave Maria (2. Fassung)[22] und Sie nannten ihn Plattfuß.[23]
Darüber hinaus waren auch viele Filme von Louis de Funes, Adriano Celentano, Giuliano Gemma, zahlreiche Italowestern (z. B.: Sartana – noch warm und schon Sand drauf,[24] Mein Name ist Nobody[25]), darunter auch Filmklassiker wie Für eine Handvoll Dollar und Für ein paar Dollar mehr mehr oder weniger stark mit Schnodder-Synchronisation versehen worden.[26] Oft handelte es sich um die zweite Synchronfassung eines Films, der bereits originalgetreuer synchronisiert worden war (z. B.: Dollar-Filme, Vier Fäuste für ein Halleluja).
Nachahmer
Im Zuge der sehr erfolgreichen Bearbeitung durch Rainer Brandt und Karlheinz Brunnemann fanden sich auch zahlreiche Nachahmer, die allerdings größtenteils nicht an den Erfolg anknüpfen konnte. Beispielsweise wurde der Film Django und die Bande der Gehenkten unter dem Titel Joe der Galgenvogel von der Düsseldorfer MGS-Synchron GmbH neu synchronisiert. Ebenso erging es dem Film Sie verkaufen den Tod der als Der Dicke und das Warzenschwein neu bearbeitet wurde.
Viele Serien der damaligen Zeit (z.B.: Raumschiff Enterprise, Kojak) wurden relativ frei bearbeitet, unterscheiden sich allerdings deutlich vom Schnodderdeutsch und sind eher eine Folge des damaligen Zeitgeistes als eine Nachahmung der Arbeit von Brandt und Brunnemann.[27]
Heute werden hauptsächlich in Fan-Kreisen Schnoddersynchronisationen erstellt.
Zitate
Wie die folgenden Beispiele belegen, hat das Schnodderdeutsch teilweise Eingang in die Alltagssprache gefunden.
- „Tschüssikowsky!“
- „Sleep well in your Bettgestell.“
- „Auf Wiedersehen, aber es eilt nicht.“
- „Mmmh, schmeckt gar nicht mal so gut.“ (Das Krokodil und sein Nilpferd)
- „Ein guter Schluck zur rechten Zeit erhebt des Knaben Männlichkeit.“
- „Wie man sich bettet, so schallt es heraus.“
- „Katholisch Mufflon, selbst geschlachtet.“
- „Die Neugier macht jeden Rüssel länger.“
- „Jetzt gibt’s vor die Sabberrinne!“
- „Siehst gut aus – heute schon gekotzt?“ (Mein Name ist Nobody)
- „Na sieh mal, wer da kömmt.“
- „Das ist ja eine Rückenmarkslosigkeit sondershausen!“
- „Praktisch denken, Särge schenken!“
- „Wenn ich nicht wüsste, du bist es, würde ich denken, du wärst es.“ (bzw. „Wenn ich nicht ganz genau wüsste, dass ich das nicht bin, dann würde ich sagen, das bin ich nicht!“)
- „Knoblauch-Nuß-Schokolade“ (Die Zwei, Folge 12)
- „Ansichtskarte aus Solingen“ – Bezeichnung für ein Messer
Weblinks
- Das walte Hugo In: DER SPIEGEL 42/1971, S. 201
- Einer von zwei – Ein Gespräch mit Rainer Brandt Von 2003 auf youtube
- Die coole Stimme aus dem Off. In: die tageszeitung, 16. August 2005, S. 11
- Christian Heger: Wo Hitler um Michael Jackson trauert, FAZ.NET, 16. Dezember 2009
Einzelnachweise
- ↑ Artikel in der Zeitung DIE WELT
- ↑ Artikel in der Stadtrevue Köln
- ↑ Anastasia Khomenko: Zu aktuellen Entwicklungen in der deutschen Umgangssprache. In: Der Sprachdienst. Heft 4, 2014. , Seite 180-181, Zitat Seite 181.
- ↑ http://www.derwesten.de/panorama/rainer-brandt-vier-sprueche-fuer-ein-halleluja-id9633426.html
- ↑ Synchronkartei
- ↑ Synchronkartei
- ↑ Synchronkartei
- ↑ Synchronkartei
- ↑ Synchronkartei
- ↑ Synchronkartei
- ↑ http://www.taz.de/1/archiv/?id=archivseite&dig=2005/08/16/a0117
- ↑ Synchronkartei
- ↑ Synchronkartei
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- ↑ Synchronkartei
- ↑ Synchronkartei
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- ↑ Synchronkartei
- ↑ Synchronkartei
- ↑ Synchronkartei
- ↑ Synchronkartei
- ↑ Synchronkartei
- ↑ Synchronkartei
- ↑ Synchronkartei
- ↑ Synchronkartei
- ↑ Die Synchronisation von Raumschiff Enterprise