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Mit Putzfrauenaffäre oder Nannygate werden verschiedene politische Affären benannt, bei denen illegale oder prekäre Anstellungsverhältnisse sowie Schwarzarbeit im Umfeld haushaltsnaher Dienstleistungen skandalisiert wurden.

Hintergrund

Mit der Industrialisierung wuchs im Laufe des 19. Jahrhundert die Anzahl der Haushalte mit Dienerschaft erheblich an. [1] Um die Jahrhundertwende arbeiteten allein in Großbritannien mehr als zwei Millionen Frauen als Dienstmädchen und Dienerinnen und etwa 150.000 Männer als Diener und Butler.[2] Nach dem Zweiten Weltkrieg verringerte sich die Zahl der Hausangestellten in Europa radikal. Sie nahm von knapp zwei Millionen um 1931 auf 750.000 um 1951 bis auf weniger als 200.000 um 1961 ab.[2] Ein Minimum wurde in den 1990er Jahren erreicht.[3] Nach 1945 kam das Konzept des au pair auf. Familien, oft der Mittel- und Oberklasse zugehörig, die sich keine Diener leisten konnten und wollten, nahmen junge Frauen bei freier Kost und Logis für Kinderbetreuung und leichte Hausarbeit auf und diese lernten eine fremde Kultur und deren Sprache kennen.

Mit der Globalisierung sowie mit der Zunahme von Doppelverdienerhaushalten und der Alterung einzelner (europäischen) Gesellschaften stieg der Bedarf wieder an. Haushaltsnahe Dienstleistungen sind steuerlich wie arbeitsrechtlich schlecht zu erfassen und ein Bereich, in dem Schwarzarbeit als Kavaliersdelikt gilt. Bei einer von der Süddeutschen ebenso als Putzfrauen-Affäre bezeichneten Kontroverse im Kabinett Schröder II 2004 ging es um einen Gesetzentwurf von Finanzminister Hans Eichel, der illegale Beschäftigung im Haushaltsbereich wirksam bekämpfen sollte. Der Entwurf wurde durch Eingreifen des Kanzlers Gerhard Schröder entschärft, der entschied, dass alle, die einen Mini-Jobber illegal im Privathaushalt beschäftigen, keine Straftat begehen. Eichel, der eine Verschärfung der Strafbarkeit vorgehabt hatte, musste akzeptieren, dass Schröder damit Schwarzarbeit in Privathaushalten zur Ordnungswidrigkeit herabstufte.[4]

Es gibt und gab dennoch einige Fälle, in denen aufgedeckte prekäre uoder illegale Arbeitsverhältnisse bei Politikern politische Skandale zur Folge hatten.

Nannygate in den USA

US Präsident Bill Clinton wollte 1993 für die Position des United States Attorney General eine Frau bestimmen.[5] Seine erste nominierte Kandidatin, Zoë Baird wurde aufgrund der illegalen Beschäftigung zweier Peruaner nicht akzeptiert.[6] Clinton hatte die kritische öffentliche Reaktion unter dem Motto 'Everybody does it' erheblich unterschätzt.[7] Baird war vermögend, hatte aber den Angestellten deutlich weniger als den US-Mindestlohn gezahlt.

Die zweite Kandidatin Kimba Wood wurde zurückgezogen, nachdem herauskam, dass diese einen illegalen Immigranten zur Kinderbetreuung angestellt hatte, allerdings in einem rechtmäßigen Angestellten- und Vertragsverhältnis.[8]

Die Affäre zog weitere Kreise, weil unter anderem Charles Ruff für den Attorney General nicht in Frage kam, da er Sozialabgaben seiner Putzfrau nicht bezahlt hatte.[9] Weitere Ministerkandidaten Clintons mussten nachträglich Anstellungsverhältnise legalisieren oder Steuern nachzahlen, so Ron Brown und Federico Peña. Weitere Ministerinnen entkamen der Nachfrage, weil sie keine Kinder hatten, so Donna Shalala oder diese wie bei Hazel O'Leary und Madeleine Albright lange aus dem Haus waren. Für den Posten des Generalstaatsanwalts wurde dann Janet Reno ernannt, eine unverheiratete, kinderlose Juristin.[10]

Deutsche Putzfrauenaffären

Am 6. Mai 1993 trat Günther Krause von seinem Amt als Verkehrsminister zurück, bald darauf auch vom Vorsitz der CDU in Mecklenburg-Vorpommern. Grund waren mehrere in der Öffentlichkeit als Affären behandelte Vorgänge, neben dem Verkauf der ostdeutschen Autobahnraststätten die sogenannte Putzfrauenaffäre 1993, bei der seine – inzwischen von ihm geschiedene – Ehefrau eine Putzhilfe mit staatlichen Geldern für Dauerarbeitslose alimentiert hatte.[11]

2001 kam es zu einer Putzfrauenaffäre beim damaligen sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf. Ihm wurde neben seinen sehr günstigen Mietkonditionen im Dresdner Gästehaus der Landesregierung auch vorgeworfen, eine privat beschäftigte Putzhilfe nicht ordnungsgemäß als geldwerten Vorteil versteuert zu haben. Dies war unter anderem durch Indiskretionen in der eigenen Partei bekannt worden, weswegen der Ministerpräsident mit Rücktritt drohte.[12]

2005 trat der Landeschef von Bündnis 90/Die Grünen in Brandenburg, Joachim Gessinger, von seinen Ämtern zurück. Kurz vor der Bundestagswahl war bekannt geworden, dass der Germanistikprofessor über Jahre Russlanddeutsche als Putzfrauen schwarz und für nur sechs Euro pro Stunde beschäftigt hatte.[13]

2013 wurde im Bundestagswahlkampf durch eine Meldung der Bildzeitung bekannt, dass Kanzlerkandidat Peer Steinbrück erpresst werden sollte, weil er eine Zeitlang eine Philippina schwarz beschäftigt habe. 1999 wollte seine Frau Gertrud nach dieser Meldung ihrer damaligen Putzfrau einen Arbeitsvertrag anbieten, nachdem sie bereits ein halbes Jahr bei den Steinbrücks geputzt hatte.[14]

Einzelnachweise

  1. Nancy Scanlon: The Development of the Kitchen in the English Country House 1315–1864. In: Journal of Culinary Science and Technology. 4, Nr. 2/3, 2006, S. 79–92.
  2. 2,0 2,1 Working Bodies: Interactive Service Employment and Workplace Identities Linda McDowell, John Wiley & Sons, 22.07.2011
  3. J. Lee: Steady, Jeeves—you've got company!. In: U.S. News & World Report. 104, Nr. 17, 1988.
  4. http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-die-putzfrauen-affaere-1.818066 Kommentar Die Putzfrauen-Affäre Hans Eichel wollte mit dem Gesetz zur Schwarzarbeit Gutes — und bewies nur seine Machtlosigkeit. Ulrich Schäfer, SZ, 5. Dezember 2008
  5. Johnston, David: Parts of Attorney General-Designate's Record Disturb Some Clinton Backers. In: The New York Times, 13. Januar 1993. 
  6. Johnston, David: Clinton's Choice for Justice Dept. Hired Illegal Aliens for Household. In: The New York Times, 14. Januar 1993, S. A1. 
  7. Smolowe, Jill: The Zoe Baird Debacle: How It Happened. In: Time, 1. Februar 1993. 
  8. Berke, Richard L.: Judge Withdraws From Clinton List for Justice Post. In: The New York Times, 6. Februar 1993. 
  9. Kelly, Michael: Household Hiring Is Trickier With New Broom in Capital. In: The New York Times, 12. Februar 1993. 
  10. Ifill, Gwen: Reno Is Confirmed In Top Justice Job. In: The New York Times, 12. März 1993. 
  11. Der Minister aus dem Sumpf. In: Der Spiegel. Nr. 13, 1993 (online).
  12. PUTZFRAUEN-AFFÄRE Biedenkopf droht, Focus 9. April 2001
  13. http://www.welt.de/print-welt/article176645/Putzfrauenaffaere-Gruenen-Chef-Gessinger-tritt-nicht-mehr-an.html Putzfrauenaffäre: Grünen-Chef Gessinger tritt nicht mehr an, von gma, Die Welt 2005
  14. SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück wegen Putzfrau erpresst, SZ, 7. September 2013
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