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Mittel|europa, der zentrale Teil Europas. Die Abgrenzung fällt durch die verschiedenen Ansätze (physisch-geografisch, historisch-politisch, kulturlandschaftlich) unterschiedlich und nicht immer in Übereinstimmung mit dem Selbstverständnis der betroffenen Staaten aus. Zu Mitteleuropa werden im Allgemeinen Deutschland, die Schweiz, Liechtenstein, Österreich, Polen, die Tschechische Republik, die Slowakische Republik, Slowenien, Kroatien und Ungarn gerechnet.

Vorgeschichte[]

Das erste Auftreten des Menschen während der Altsteinzeit (Paläolithikum) bezeugen die Skelettfunde des Homo erectus von Mauer bei Heidelberg (Homo heidelbergensis, etwa 600 000 Jahre alt; auch als archaischer Homo sapiens eingeordnet), die umfangreichen Untersuchungen der Funde in Schöningen und Bilzingsleben (Homo erectus, rd. 370 000 Jahre alt) und von Vértesszőllős in Ungarn (archaischer Homo sapiens, rd. 400 000 Jahre alt). Insbesondere der Unterkiefer von Mauer galt lange als der älteste Nachweis des Menschen in ganz Europa; mittlerweile (1994) sind jedoch in Nordspanien (Höhle Gran Dolina in der Sierra de Atapuerca) die Überreste der bisher ältesten Menschenform Europas entdeckt worden (Homo antecessor, etwa 800 000 Jahre alt). Nächstjüngere Skelett- und Werkzeugfunde datieren in die Zeit vor etwa 250 000 Jahren, u. a. der Schädel von Steinheim an der Murr (Homo sapiens steinheimensis) und Funde von Swanscombe in England, die anthropologisch eine Übergangsform vom Homo erectus zum Homo sapiens darstellen (und als Ante-Neandertaler wohl auch Vorfahren des Neandertalers sind); sie zeigen Steingerätschaften des sogenannten Mittel-Acheuléen. Diese Zeit war in Mitteleuropa von einem warmzeitlichen Klima (Mindel-Riß-Interglazial oder Holstein-Warmzeit) mit einer offenen Savannenlandschaft geprägt. In der folgenden Riß-Eiszeit waren Klima und Landschaft durch das nordische Inlandeis und die Alpengletscher derart glazial gekennzeichnet, dass der Raum dem Menschen lediglich als saisonales Jagdgebiet dienen konnte. In einer der Riß-Eiszeit folgenden, vergleichsweise kurzen Zwischeneiszeit (Eem-Warmzeit) lebten bereits frühe und auch schon klassische Neandertaler in Mitteleuropa unter relativ günstigen Klimabedingungen. Fundstätten von Menschen- und Kulturresten aus der Eem-Warmzeit stammen aus Weimar (Ehringsdorf), aus Krapina (Kroatien) und Gánovce (Nordslowakei).

Während der folgenden Würm-Kaltzeit wurde Mitteleuropa trotz widriger Klima- und Umweltbedingungen immer wieder von Neandertalergruppen durchzogen. Neandertaler waren körperlich hervorragend an die glazialen Klimaverhältnisse angepasst und gelten als hoch spezialisierte Großwildjäger (Mammut, Wollnashorn, Riesenhirsch, Wildpferd). Zu den zahlreichen Fundplätzen mit Skelettteilen des klassischen Neandertalers gehören in Mitteleuropa neben dem namengebenden Fundort bei Düsseldorf auch Höhlenfunde, z. B. von La Chapelle-aux-Saints, La Quina und La Ferrassie (mit Bestattungen) in Frankreich, sowie Freilandplätze mit Überresten des Jagdwildes, z. B. Salzgitter-Lebenstedt (Niedersachsen) und der ehemalige Ascherslebener See (Königsaue, Thüringen). Archäologisch werden die Steinwerkzeuge (Faustkeile, Blattspitzen, Schaber) des Neandertalers der mittleren Altsteinzeit (Mittelpaläolithikum) bzw. dem Moustérien zugeordnet.

Der anatomisch moderne Mensch Homo sapiens sapiens (Cro-Magnon-Mensch; Homo sapiens), wanderte ab etwa 40 000 vor heute auch in Mitteleuropa ein, was die sukzessive Verdrängung des Neandertalers aus seinem gesamten Lebensraum in Europa zur Folge hatte. Die jüngere Altsteinzeit (Jungpaläolithikum) zeigt in ihren archäologischen Kulturstufen (Aurignacien, Gravettien, Solutréen, Magdalénien) mit neuen Steinbearbeitungs- (Klingentechnik) und Jagdtechniken (Pfeil und Bogen, Speerschleuder) sowie mit dem Aufkommen von Kunst (Höhlenmalerei, Figuren aus Stein, Knochen oder Elfenbein) deutliche Unterschiede zum Moustérien. Während Bilderhöhlen mit polychromen Wandmalereien im westlichen Europa und in Südeuropa verbreitet sind (z. B. Lascaux und Chauvet-Höhle in Frankreich, Altamira in Spanien), ist Kleinkunst eher im zentralen Mitteleuropa konzentriert (Vogelherdhöhle und Geißenklösterle in Süddeutschland, Willendorf in Österreich). Größere Sozialgruppen und regelhafte Bestattungsplätze sind weitere Charakteristika der jungpaläolithischen Jäger und Sammler. Besonders in der jüngsten Phase der Altsteinzeit, im Magdalénien, ist eine Spezialisierung der Jagd auf die großen wandernden Rentier- und Wildpferdherden bemerkbar. Hauptlager (z. B. Gönnersdorf, etwa 10 400 v. Chr.) mit mehreren saisonal aufgesuchten Jagdlagern bilden eine Infrastruktur für die Jagd auf wanderndes Jagdwild. In der norddeutschen Tiefebene entstand um 12 000 v. Chr. die Hamburger Kultur als ältester Nachweis für Rentierjägergruppen im sukzessive eisfrei werdenden Norden. Den Ausklang der Altsteinzeit bilden im nördlichen Mitteleuropa die Stielspitzengruppen (Ahrensburger Kultur, Federmesser-Gruppen), die sich zeitlich mit den im südlichen Mitteleuropa seit etwa 9000/8000 v. Chr. auftretenden Formengruppen der Mittelsteinzeit überschneiden.

Mittelsteinzeit (Mesolithikum): Eine zunehmende Erwärmung hatte ab etwa 9000 v. Chr. den allmählichen Rückzug des polaren Gletschereises bis nach Südschweden, die recht rasche Wiederbewaldung und einen Wechsel der Jagdfauna in Mitteleuropa zur Folge. Die Jagd auf Standwild (Reh, Rotwild, Wildschwein), vermehrter Fischfang und der Gebrauch von kleinformatigen Projektilspitzen (Mikrolithen) sind Charakteristika der Mittelsteinzeit. Aufgrund ähnlicher Fundinventare sind für das Mesolithikum unterschiedliche Kulturgruppen nur sehr schwer zu erkennen. Die Erteböllekultur (um 4500 v. Chr.) in Norddeutschland und Südskandinavien kennzeichnet allerdings mit einer saisonal wechselnden Wirtschaftsweise (Fischfang und Muschelwirtschaft an den Küsten im Winter und Jagd auf Standwild mit beginnender Getreidewirtschaft im Sommer) den Übergang zu einer sesshaften Lebensweise.

Der Beginn der Jungsteinzeit (Neolithikum) mit Ackerbau und Viehzucht (»neolithische Revolution«) wird in Mitteleuropa durch die bandkeramische Kultur (Bandkeramik) archäologisch fassbar. Vom Nordwestbalkan aus hat sich die neue Lebens- und Wirtschaftsweise ab etwa 5600 v. Chr. sehr schnell donauaufwärts und rheinabwärts bis zum Nordrand der Mittelgebirge, in die Niederlande und in das Pariser Becken ausgebreitet, wobei zunächst nur die fruchtbaren Lössböden besiedelt wurden. Wie sich dieser Übergang von einer aneignenden zu einer produzierenden Wirtschaftsweise in der Praxis vollzogen hat (durch Kolonisierung, Krieg oder friedliche Assimilierung ?), ist weitgehend unbekannt. Die Befestigung zahlreicher bandkeramischer Siedlungen und Ackerflächen mit Holzpalisaden besonders im Rheinland weist allerdings auf ein ausgeprägtes Schutzbedürfnis hin; sie diente wohl der Abwehr von Wildtieren, mesolithischen Jägern und Sammlern oder fremden bandkeramischen Ackerbauern. Kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Bandkeramikern sind durch Massengräber (um 5000 v. Chr.) in Talheim (Kreis Heilbronn) und Schletz bei Wien dokumentiert. Während der folgenden Rössener Kultur (ab etwa 4800 v. Chr.) werden in Mitteleuropa auch die Mittelgebirgszonen jenseits der Lössgrenze neolithisch besiedelt. Die Rössener Kultur scheint die Entwicklung der neolithischen Trichterbecherkultur (ab etwa 4000 v. Chr.) in der Norddeutschen Tiefebene und in Südskandinavien beeinflusst zu haben; Charakteristika sind große dreischiffige Langhäuser in den Siedlungen und dazu eindrucksvolle Großsteingräber (Megalithgräber) mit Kollektivbestattungen. Zu dieser Zeit waren im Süden Mitteleuropas mehrere Kulturen verbreitet (Pfyner und Michelsberger Kultur, Salzmünder und Baalberger Gruppe), die vereinzelt bereits Gegenstände aus Kupfer in Gebrauch hatten; hierdurch werden Einflüsse aus Osteuropa (Kupferzeit) erkennbar, die sich in der Folgezeit, ab dem Jungneolithikum (ab etwa 3000 v. Chr.), verstärken und vermutlich in der Einwanderung neuer Menschengruppen gipfelten (Schnurkeramik/Einzelgrabkultur und Glockenbecherkultur).

In der ausgehenden Kupferzeit/frühen Bronzezeit (seit etwa 2300/2200 v. Chr.) bildeten sich in der Nähe der nordalpinen und mitteldeutschen Kupferlagerstätten neue Kulturgruppen mit sozial differenziertem Herrschaftssystem (u. a. Singener, Straubinger und Aunjetitzer Kultur), von denen ausgehend die Kenntnis von Bronzegegenständen sich allmählich bis Norddeutschland ausbreitete und hier ab 1600 v. Chr. zur Entstehung des Nordischen Kreises der Bronzezeit führte; dieser umfasste auch Südskandinavien und verdankte seinen ungewöhnlichen Reichtum vermutlich dem Bernsteinhandel; Bernstein aus dem Ostseegebiet war zu dieser Zeit großflächig in Europa verbreitet. Der Nordische Kreis entwickelte sich bis zur späten Bronzezeit kontinuierlich weiter; auch der Übergang zur Eisenzeit scheint keinen Bevölkerungswechsel mit sich gebracht zu haben. Demgegenüber lösten sich die anderen Kulturen der Frühbronzezeit bald auf, und in der mittleren Bronzezeit wurde das ganze südliche Mitteleuropa von Ostfrankreich bis Westungarn von der Hügelgräberkultur (ab 1600 v. Chr.) beherrscht. Zwischen ihrem und dem nordischen Kulturgebiet bildete sich zur gleichen Zeit ein zunächst nur schwach ausgeprägter Formenkreis, aus dem die Lausitzer Kultur (ab 1200 v. Chr.) hervorging. Für diese Zeit können bereits gewisse Formen politischer und religiöser Machtkonzentration angenommen werden. In der jüngeren Bronzezeit verbreitete sich von Ungarn aus die Urnenbestattung, die mit neuartigen Keramik- und Bronzetypen charakteristisch für die Urnenfelderkultur (ab 1200 v. Chr.) wurde. Ihre Ausbreitung führte zum Erlöschen der Hügelgräberkultur. Im Fundgut zeichnen sich deutlicher als zuvor Kontakte mit Italien und Griechenland ab.

Die ältere Eisenzeit stand im südlichen Mitteleuropa im Zeichen der Hallstattkultur, während im Norden zunächst noch die bronzezeitliche Kultur fortbestand und sich sogar nach Süden ausbreitete. In Südwestdeutschland und Ostfrankreich entstand eine eigene westliche Variante der Hallstattkultur. Während im Osten die Hallstattkultur mit dem illyrisch-venetischen Volkstum verbunden zu sein scheint, können als Träger der westlichen Hallstattkultur Kelten angenommen werden. Die Spätstufe der Lausitzer Kultur geriet zunehmend unter Hallstatteinfluss. Im Grenzgebiet zwischen Lausitzer Kultur und Nordischem Kreis bildeten sich (mit auffälligen Beziehungen zur italienischen Eisenzeit) die Hausurnen- und Gesichtsurnenkultur. In der späten Hallstattzeit vollzog sich im Nordischen Kreis der Übergang zur eisenzeitlichen Kultur (Jastorfkultur, ab etwa 600 v. Chr.) und eine Aufspaltung in mehrere Regionalgruppen mit jeweils eigener Kulturentwicklung.

Die jüngere Eisenzeit stand im südlichen Mitteleuropa im Zeichen der keltischen La-Tène-Kultur, die auf der Grundlage der westlichen Hallstattkultur entstand und durch händlerische und kriegerische Kontakte mit der Mittelmeerzivilisation zu beachtlicher Kulturhöhe erblühte. Sie dehnte sich über weite Teile Europas aus; der germanische Norden unterhielt zu dieser Zeit lockere Wirtschaftsbeziehungen zur keltischen Welt (Dejbjerg, Gundestrup). Während der jüngeren La-Tène-Zeit drangen Germanen (Kimbern und Teutonen) jedoch nach Süden ins keltische Gebiet ein, und wenig später (58–51 v. Chr.) führte die römische Eroberung Galliens durch Caesar zum Ende der keltischen Unabhängigkeit und Kultur. In der Folge herrschten im größeren Teil von Mitteleuropa die Germanen, in der westlichen Randzone die Römer.

Zur Geografie und Geschichte Europa sowie die Artikel zu den einzelnen europäischen Staaten.

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