Luftbildarchäologie in der Germanologie bezeichnet die Anwendung der Luftbildarchäologie im Rahmen der Germanenforschung. Sie spielt eine bedeutende Rolle bei der Erforschung der Lebensweise, Siedlungsstrukturen und landwirtschaftlichen Aktivitäten der Germanen in Mitteleuropa. Die Technik der Luftbildarchäologie bietet Archäologen und Forschern die Möglichkeit, großflächige Siedlungsgebiete zu analysieren, die sonst nur schwer zugänglich oder verborgen sind.
Ursprung und Entwicklung der Luftbildarchäologie
Die Luftbildarchäologie entwickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts, als die ersten Luftaufnahmen von Ballons und später von Flugzeugen aus gemacht wurden. Mit der Verbreitung von Luftaufnahmen nach dem Ersten Weltkrieg gewann die Methode an Bedeutung. In der Archäologie setzte sich die Technik besonders in den 1920er Jahren durch, als Wissenschaftler wie O. G. S. Crawford das Potenzial der Luftbildtechnik erkannten und die Luftbildarchäologie systematisch in Großbritannien und anderen Ländern etablierten. In Deutschland begann man erst in den 1930er Jahren, Luftbilder für die archäologische Forschung zu nutzen. Während des Zweiten Weltkriegs wurden Luftbilder vor allem zu militärischen Zwecken eingesetzt, doch auch Archäologen begannen, die Aufnahmen nach dem Krieg systematisch auszuwerten.
Bedeutung für die Germanenforschung
Die Germanenforschung ist ein bedeutendes Teilgebiet der Germanologie, das sich mit den germanischen Völkern der Antike und des Frühmittelalters befasst. Die Luftbildarchäologie bietet hier wertvolle Informationen über die Lebensweise der Germanen, deren Siedlungen und Agrarstrukturen. Besonders in Regionen, in denen oberirdisch keine klaren Spuren von germanischen Besiedlungen sichtbar sind, ermöglicht die Luftbildarchäologie den Nachweis von Bodendenkmälern, wie z. B. Gräben, Wällen, ehemaligen Gebäudestrukturen oder Grabstätten.
Ein besonders wichtiges Anwendungsgebiet der Luftbildarchäologie in der Germanenforschung ist die Untersuchung von Siedlungsstrukturen. Während viele germanische Dörfer und Einzelhöfe oft von landwirtschaftlicher Nutzung überprägt sind, lassen sich durch Luftaufnahmen im Infrarotbereich oder durch Auswertung von Luftbildern unter bestimmten Lichtbedingungen Strukturen wie Pfostenlöcher oder Gräben nachweisen. Diese Hinweise ermöglichen es Archäologen, die Größe und Verteilung der Siedlungen, deren Funktion und den Grad der sozialen Hierarchien besser zu verstehen.
Anwendungstechniken
Die Luftbildarchäologie in der Germanenforschung verwendet verschiedene Techniken, um verborgene Bodendenkmäler aufzuspüren. Eine der wichtigsten Methoden ist die Schrägluftfotografie, bei der Aufnahmen aus einem schrägen Winkel gemacht werden. Diese Technik betont Geländeerhebungen und -vertiefungen, die bei Draufsicht schwer erkennbar wären. So lassen sich etwa Grabhügel oder Wallanlagen besser darstellen.
Eine weitere Methode ist die Erkennung von Vegetationsanomalien. Siedlungsreste, Gräben und Gruben beeinflussen das Wachstum der Vegetation. In diesen Bereichen ist das Pflanzenwachstum oft unterschiedlich stark, da die Bodenbeschaffenheit durch menschliche Eingriffe verändert wurde. Solche Unterschiede können auf Luftbildern identifiziert werden.
Zusätzlich kommen moderne digitale Techniken wie die LiDAR-Technologie (Light Detection and Ranging) zum Einsatz, die eine dreidimensionale Erfassung des Geländes erlaubt. Besonders in bewaldeten Gebieten, die mit herkömmlichen Luftbildern schwer zugänglich sind, hat LiDAR neue Möglichkeiten eröffnet, germanische Siedlungsstrukturen zu entdecken.
Fallbeispiele
Ein bemerkenswertes Beispiel für den erfolgreichen Einsatz der Luftbildarchäologie in der Germanenforschung ist die Untersuchung der Varusschlacht. Im Gebiet um Kalkriese in Niedersachsen wurden durch Luftaufnahmen und deren Auswertung weitreichende Spuren der berühmten Schlacht aus dem Jahr 9 n. Chr. entdeckt, bei der die Germanen unter Arminius die römischen Legionen unter Publius Quinctilius Varus besiegten. Die Luftbildarchäologie trug wesentlich zur Entdeckung von Siedlungen und Befestigungen bei, die mit der Schlacht in Verbindung stehen.
Ein weiteres Beispiel ist die Entdeckung und Untersuchung von germanischen Gehöften und Gräberfeldern in der norddeutschen Tiefebene. Luftbilder halfen hier, auf den ersten Blick unscheinbare Erhebungen und Vertiefungen zu interpretieren und so Rückschlüsse auf germanische Siedlungen zu ziehen, die in der klassischen Feldforschung oft übersehen worden wären.
Luftbildarchäologische Beispielaufnahmen
Die Verfärbungen im Boden zeugen von unterirdischen Mauerresten,, Wällen oder Gräben:
Grenzen der Methode
Obwohl die Luftbildarchäologie wertvolle Informationen zur Germanenforschung liefert, gibt es auch einige Einschränkungen. In stark urbanisierten oder landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten können archäologische Überreste durch spätere Bebauungen oder Bodenumwälzungen zerstört oder überdeckt worden sein. Zudem sind Luftbilder stark wetter- und jahreszeitenabhängig. Nicht immer herrschen die optimalen Lichtverhältnisse oder Vegetationsbedingungen, um archäologische Strukturen sichtbar zu machen.
Ein weiteres Problem stellt die Interpretation der Luftbilder dar. Nicht jede Struktur, die auf einem Luftbild sichtbar wird, ist automatisch ein archäologisches Relikt. Daher bedarf es intensiver Nachforschungen vor Ort, um die Luftbildfunde zu verifizieren und zu analysieren.
Zusammenfassung
Die Luftbildarchäologie ist ein unerlässliches Werkzeug in der Germanenforschung. Durch den gezielten Einsatz von Luftaufnahmen konnten zahlreiche germanische Siedlungen, Befestigungsanlagen und Gräber entdeckt werden, die einen tiefen Einblick in das Leben der Germanen ermöglichen. Trotz der methodischen Einschränkungen bietet sie in Kombination mit traditionellen archäologischen Methoden eine wertvolle Ergänzung zur Erforschung der germanischen Geschichte und Kultur.
Siehe auch
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Literatur
- Luftbildarchäologie, archäologische Spurensuche aus der Luft: Methoden und Techniken — klassisch und virtuell. Von Baoquan Song, Klaus Leidorf, Eckhard Heller (2019)