Dies ist eine Liste germanischer Sprachen. Die germanischen Sprachen bilden eine weitverzweigte Sprachfamilie, die sich aus der gemeinsamen Ursprache, dem Urgermanischen, entwickelt hat. Diese Sprachgruppe gehört zur indogermanischen Sprachfamilie und umfasst sowohl lebende als auch ausgestorbene Sprachen. Die germanischen Sprachen werden traditionell in drei große Zweige unterteilt: die westgermanischen, nordgermanischen und ostgermanischen Sprachen. Die Vielzahl dieser Sprachen und ihre unterschiedliche Entwicklung über Jahrhunderte hinweg machen sie zu einem bedeutenden Forschungsfeld der historischen und vergleichenden Sprachwissenschaft.
Westgermanische Sprachen
Die westgermanischen Sprachen stellen den umfangreichsten und am weitesten verbreiteten Zweig der germanischen Sprachfamilie dar. Sie entwickelten sich aus den westlichen Dialekten des Urgermanischen und umfassen heute einige der am häufigsten gesprochenen Sprachen weltweit. Eine der bedeutendsten Sprachen dieses Zweiges ist das Deutsche, das sich in zahlreiche Dialekte und regionale Varianten gliedert. Das Althochdeutsche, die früheste bezeugte Form des Deutschen, entwickelte sich im frühen Mittelalter und gab den Anstoß zur Ausbildung der späteren mittelhochdeutschen und neuhochdeutschen Sprachstufen.
Das Englische ist eine weitere wichtige westgermanische Sprache, die durch die normannische Eroberung im Jahr 1066 erheblich vom Altfranzösischen beeinflusst wurde. Dennoch behielt das Englische seine germanische Grammatik und viele germanische Grundwörter bei. Heute gilt Englisch als eine der führenden Weltsprache und spielt eine zentrale Rolle in Wissenschaft, Handel und internationalen Beziehungen.
Niederländisch, eine weitere westgermanische Sprache, entwickelte sich aus dem Altniederfränkischen und wird vor allem in den Niederlanden und Belgien gesprochen. Die friesischen Sprachen, die eng mit dem Englischen verwandt sind, werden heute nur noch von einer Minderheit in den Niederlanden und Deutschland gesprochen, galten jedoch im Mittelalter als bedeutende Seefahrersprachen. Schließlich gibt es das Jiddische, das aus dem Mittelhochdeutschen hervorging und sich unter den aschkenasischen Juden in Mittel- und Osteuropa entwickelte. Es ist eine Mischsprache mit starken Einflüssen aus dem Hebräischen, Slawischen und Romanischen.
Nordgermanische Sprachen
Die nordgermanischen Sprachen, auch als skandinavische Sprachen bekannt, entwickelten sich aus dem Altnordischen, das in Skandinavien vom 8. bis zum 14. Jahrhundert gesprochen wurde. Diese Sprachgruppe zeichnet sich durch eine relativ konservative Entwicklung aus, insbesondere im Isländischen, das viele der alten Sprachstrukturen des Altnordischen bis heute bewahrt hat. Isländisch unterscheidet sich damit von den anderen nordgermanischen Sprachen wie Schwedisch, Dänisch und Norwegisch, die im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche grammatische Vereinfachungen durchliefen. Dennoch teilen alle nordgermanischen Sprachen eine Reihe gemeinsamer Merkmale, wie die Verwendung der Verb-zweit-Stellung im Satzbau und einen großen gemeinsamen Wortschatz.
Die skandinavischen Sprachen unterteilen sich in zwei Hauptgruppen: die westskandinavischen Sprachen (Norwegisch, Isländisch und Färöisch) und die ostskandinavischen Sprachen (Schwedisch und Dänisch). Norwegisch zeichnet sich durch eine besondere Dialektvielfalt aus, die auf die lange Trennung der norwegischen Königreiche im Mittelalter zurückzuführen ist. Schwedisch und Dänisch sind dagegen enger miteinander verwandt und weisen zahlreiche Ähnlichkeiten in Phonologie und Syntax auf.
Das Färöische, das auf den Färöer-Inseln gesprochen wird, entwickelte sich aus einer frühen Form des Altnordischen und hat im Vergleich zu den anderen nordgermanischen Sprachen eine eher isolierte Entwicklung durchlaufen. Es hat sich viele archaische grammatische Strukturen erhalten, die in den anderen skandinavischen Sprachen verschwunden sind.
Ostgermanische Sprachen
Die ostgermanischen Sprachen bildeten einst einen bedeutenden Zweig der germanischen Sprachfamilie, sind jedoch heute ausgestorben. Am bekanntesten ist das Gotische, das im 4. Jahrhundert n. Chr. in weiten Teilen Europas gesprochen wurde. Die Goten waren ein ostgermanisches Volk, das im Zuge der Völkerwanderung bedeutende politische und militärische Macht erlangte. Die gotische Sprache ist vor allem durch die Bibelübersetzung des Bischofs Wulfila überliefert, die das älteste zusammenhängende Dokument einer germanischen Sprache darstellt. Diese Übersetzung, die als „Wulfilabibel“ bekannt ist, liefert wertvolle Informationen über die Struktur und den Wortschatz des Gotischen.
Neben dem Gotischen existierten vermutlich weitere ostgermanische Sprachen, von denen jedoch kaum schriftliche Zeugnisse erhalten sind. Dazu gehören das Burgundische und das Vandalenische, die von germanischen Stämmen in verschiedenen Regionen Europas gesprochen wurden. Beide Sprachen verschwanden jedoch spätestens im Frühmittelalter im Zuge der Christianisierung und der Assimilation der ostgermanischen Völker an die romanischen und slawischen Bevölkerungen.
Sprachen der germanischen Stämme
Die germanischen Stämme sprachen eine Vielzahl von Sprachen und Dialekten, die sich in drei Hauptzweige unterteilen lassen: westgermanische, nordgermanische und ostgermanische Sprachen. Diese Sprachen entwickelten sich aus dem Urgermanischen und bildeten die Grundlage für die modernen germanischen Sprachen. Viele der ursprünglichen Sprachen der germanischen Stämme sind heute ausgestorben, während einige in veränderter Form weiter existieren. Im Folgenden sind die Sprachen aufgeführt, die den verschiedenen germanischen Stämmen zugeordnet werden können.
Einzelauflistungen der germanischen Sprachen
Westgermanische Sprachen
- Althochdeutsch: Gesprochen von den Franken, Alemannen, Bajuwaren und Sachsen. Es ist die früheste bezeugte Form des Deutschen und bildet die Grundlage für die Entwicklung des Neuhochdeutschen.
- Altsächsisch: Sprache der Sachsen im Gebiet des heutigen Norddeutschlands, ein direkter Vorläufer des heutigen Niederdeutschen.
- Altniederfränkisch: Sprache der frühen Franken, aus der sich das heutige Niederländisch entwickelte.
- Altenglisch: Sprache der Angeln, Sachsen und Jüten, die im 5. Jahrhundert nach England auswanderten und die Grundlage des modernen Englischen legten.
- Altfriesisch: Sprache der Friesen an der Nordseeküste, verwandt mit dem Altenglischen und beeinflusste die friesischen Dialekte in den Niederlanden und Deutschland.
- Langobardisch: Sprache der Langobarden, die nach Italien zogen und dort bis ins Frühmittelalter eine wichtige Rolle spielten.
Nordgermanische Sprachen
- Altnordisch: Gesprochen von den Wikingern und anderen skandinavischen Völkern. Es ist der Vorläufer des modernen Isländisch, Norwegisch, Dänisch und Schwedisch.
- Isländisch: Sprache der isländischen Siedler, die sich aus dem Altnordischen entwickelte. Sie hat sich im Vergleich zu den anderen nordgermanischen Sprachen kaum verändert.
- Färöisch: Gesprochen auf den Färöer-Inseln, eng verwandt mit dem Isländischen und ebenfalls vom Altnordischen abstammend.
- Altdänisch: Sprache der Dänen, Vorläufer des heutigen Dänisch.
- Altschwedisch: Sprache der frühen Schweden, die sich später zu modernem Schwedisch entwickelte.
- Altnorwegisch: Sprache der Norweger im Mittelalter, ein direkter Vorläufer des modernen Norwegisch.
Ostgermanische Sprachen
- Gotisch: Sprache der Goten, insbesondere durch die Bibelübersetzung des Bischofs Wulfila überliefert. Es ist die am besten dokumentierte ostgermanische Sprache.
- Vandalenisch: Sprache der Vandalen, die im 5. Jahrhundert nach Nordafrika zogen und dort ein Reich gründeten.
- Burgundisch: Sprache der Burgunden, die sich im 5. Jahrhundert im heutigen Frankreich niederließen.
- Gepidisch: Sprache der Gepiden, die im Gebiet des heutigen Ungarn lebten. Es gibt nur wenige schriftliche Zeugnisse dieser Sprache.
Kulturelle und historische Bedeutung
Die germanischen Sprachen spielten eine entscheidende Rolle in der Geschichte Europas. Sie begleiteten die germanischen Stämme auf ihren Wanderungen und Eroberungen und prägten die Kulturen und Gesellschaften, in denen sie gesprochen wurden. Die westgermanischen Sprachen wie Englisch und Deutsch entwickelten sich zu bedeutenden Kultur- und Wissenschaftssprachen und spielten eine zentrale Rolle in der europäischen Geistesgeschichte. Das Englische, das heute als globale Lingua franca gilt, hat seine germanischen Wurzeln weitgehend bewahrt, auch wenn es durch den Kontakt mit anderen Sprachen, insbesondere dem Französischen und Lateinischen, stark beeinflusst wurde.
Die nordgermanischen Sprachen sind eng mit der Geschichte der Wikinger verbunden, die ab dem 8. Jahrhundert große Teile Europas bereisten und besiedelten. Ihre Sprache, das Altnordische, hinterließ auch in den britischen Inseln und im heutigen Frankreich Spuren und trug zur Entstehung zahlreicher Lehnwörter bei.
Das Gotische, obwohl heute ausgestorben, hatte eine bedeutende Rolle in der Geschichte der christlichen Missionierung in Europa. Die Bibelübersetzung des Wulfila war eine der frühesten Versuche, das Christentum in einer germanischen Sprache zu verbreiten, und zeigt den kulturellen Einfluss der Goten auf die Entwicklung der frühmittelalterlichen europäischen Gesellschaft.
Zukunft der germanischen Sprachen
Während einige germanische Sprachen, insbesondere Englisch, weiterhin eine dominierende Stellung in der Welt einnehmen, stehen andere vor dem Aussterben. Friesisch, das in kleinen Teilen der Niederlande und Deutschlands gesprochen wird, ist eine stark bedrohte Sprache, ebenso wie Färöisch, das aufgrund der geringen Sprecherzahl gefährdet ist. Dennoch gibt es in vielen Regionen Bemühungen, diese Sprachen durch gezielte Sprachpflege und Bildung zu erhalten.
Insgesamt leisten die germanischen Sprachen einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Vielfalt und Geschichte Europas. Ihre unterschiedlichen Entwicklungen und Einflüsse auf andere Sprachen und Kulturen spiegeln die Komplexität der europäischen Sprachgeschichte wider und bleiben ein bedeutendes Forschungsfeld in der Sprachwissenschaft.
Siehe auch
Enzyklopädien & Lexika
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