Das Selbstverständnis der Juden und die religiös-kulturelle Entwicklung des Judentums sind geprägt von der durch die Diaspora bedingten ständigen Existenz als Minderheit und der damit ständig gegebenen Auseinandersetzung mit der nicht jüdischen Umwelt (als Abgrenzung oder Assimilation). Diese brachten unterschiedliche Ausformungen des Judentums mit jeweils besonderen sprachlichen, kulturellen und liturgischen Merkmalen hervor. Den Ausgangspunkt der Zerstreuung in eine heute weltweite Diaspora bildeten die Niederlage der Juden im antirömischen Aufstand (70 n. Chr.) und die Niederschlagung des von Bar Kochba angeführten Aufstandes der palästinensischen Juden gegen die Römer (135 n. Chr.). Im Mittelalter bildete sich die heute noch bestehende Teilung in das oriental. (Ursprungsgebiete: Nordafrika, Arabien), das aschkenas. (Mittel- und Osteuropa) und das sephard. Judentum (Spanien) heraus. Im 19. Jahrhundert kam es in Europa (und in Zielländern europäisch-jüdischer Auswanderung) aufgrund der unterschiedlichen Haltungen gegenüber Emanzipation und Aufklärung zum Gegensatz zwischen Westjudentum und Ostjudentum, wobei sich das im Westen dominierende liberale Reformjudentum und konservative Judentum für eine weitgehende Assimilation öffneten, während die in Osteuropa vorherrschende jüd. Orthodoxie an traditionellen Orientierungen und strikter Thorafrömmigkeit festhielt. Von den heute (2000) weltweit rund 14,4 Mio. Juden leben rund 6,4 Mio. in Nordamerika (davon etwa 6 Mio. in den USA), rund 4,7 Mio. in Israel, rund 1,2 Mio. in den Ländern der EU (besonders in Frankreich und in Großbritannien) und mehrere Hunderttausend in der GUS (besonders in Russland und in der Ukraine).
Das Bestreben der Juden, in der Diaspora ihre kulturelle und religiöse Identität zu bewahren, traf seitens der nicht jüdischen Umwelt vielfach auf Ablehnung und hatte in Europa seit dem Mittelalter die Herausbildung einer ausgesprochenen Judenfeindschaft zur Folge, die ursprünglich theologisch mit der Kollektivschuld der Juden am Tod Jesu »begründet« zu Judenverfolgungen, Vertreibungen (1290 aus England, 1394 aus Frankreich, 1492 aus Spanien, 1497 aus Portugal), Zwangstaufen und Pogromen (im zaristischen Russland) führte, antisemitische Theorien nach sich zog (Antisemitismus) und ihren verbrecherischen Gipfel in der Ermordung eines Drittels aller Juden und der Vernichtung des europäischen Judentums während der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland und Europa erreichte (Holocaust). Vor dem Hintergrund dieser geschichtlich immer wieder neu gemachten Erfahrung von Anfeindung und Verfolgung und in ihren Anfängen nicht unwesentlich auch von dem religiös-messianischen Gedanken der Rückkehr des Volkes Israel in das Gelobte Land (Palästina) getragen, entstand seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts innerhalb des Judentums als politische (nationale) und soziale Bewegung die zionist. Bewegung (Zionismus, dessen Ziel, die Errichtung eines jüdischen Staates in Palästina, mit der Ausrufung des Staates Israel am 14.5.1948 erreicht wurde. Die zionistischen Pioniere Palästinas selbst wurden für viele Juden zu Leitbildern eines neu gewonnenen jüdischen Selbstbewusstseins.