Das 'germanische Wohnhaus (Germanisches Langhaus) war die zentrale architektonische Einheit der germanischen Siedlungen während der Antike und frühen Völkerwanderungszeit. Es diente als Wohnstätte für Menschen und Vieh und war ein multifunktionales Gebäude, das sowohl als Schutz vor den Elementen als auch als Arbeits- und Lebensraum genutzt wurde. Die Bauweise und Struktur des Wohnhauses variierte je nach Region und Zeitperiode, doch einige grundlegende Merkmale waren bei den meisten germanischen Stämmen ähnlich.
Bauweise und Materialien
Das typische germanische Wohnhaus war das sogenannte „Langhaus“. Dieses Gebäude war rechteckig und konnte eine Länge von 10 bis 30 Metern oder mehr erreichen. Die Breite variierte zwischen 5 und 10 Metern. Die Wände bestanden in der Regel aus Holz, wobei zwei Bauweisen besonders häufig vorkamen:
- Fachwerkbau: Diese Bauweise bestand aus einem Gerüst aus Holz, das mit Flechtwerk aus Ästen und Lehm ausgefüllt wurde. Dieser Lehm wurde oft mit Stroh oder anderem Pflanzenmaterial vermischt, um die Festigkeit zu erhöhen.
- Blockbauweise: In waldreichen Gegenden, wie Skandinavien oder dem heutigen Süddeutschland, verwendeten die Germanen auch die Blockbauweise, bei der massive Baumstämme horizontal aufeinandergelegt und an den Ecken verzahnt wurden.
Das Dach war in der Regel ein Schrägdach, das mit Stroh, Schilf oder Rasen gedeckt wurde. Dieses Material bot guten Schutz vor Regen und isolierte das Gebäude im Winter. Oftmals ragte das Dach weit über die Wände hinaus, um Regenwasser vom Haus fernzuhalten.
Raumaufteilung
Das germanische Wohnhaus war zumeist in zwei bis drei Abschnitte unterteilt:
- Wohnraum: Ein Bereich des Hauses war für die Menschen reserviert. Hier befanden sich die Schlafstätten, Kochstellen und der zentrale Feuerplatz. Der Feuerplatz war ein wichtiger Bestandteil des Hauses, da er Wärme und Licht spendete. Oftmals gab es keine Schornsteine, sodass der Rauch durch Öffnungen im Dach oder durch Spalten in den Wänden entwich.
- Viehstall: In einem anderen Teil des Hauses wurde das Vieh untergebracht, insbesondere im Winter. Rinder, Schweine und Schafe lebten oft unter demselben Dach wie die Menschen. Dies war nicht nur praktisch, da das Vieh direkt versorgt werden konnte, sondern trug auch zur Wärmeisolierung des Hauses bei.
- Lagerräume: Einige Langhäuser besaßen separate Lagerräume oder Vorratskammern, in denen Getreide, Heu und andere Vorräte aufbewahrt wurden. In einfacheren Siedlungen wurden jedoch häufig separate Gebäude als Speicher errichtet.
Es gab keine strikte Trennung zwischen den Wohn- und Arbeitsbereichen. Der zentrale Raum des Hauses diente sowohl als Wohnbereich als auch als Werkstatt für handwerkliche Tätigkeiten, wie das Weben oder die Herstellung von Werkzeugen.
Funktion und Bedeutung des Langhauses
Das Langhaus war mehr als nur ein Wohnraum; es war das Zentrum des germanischen Familienlebens. Es bot Schutz vor den harschen Witterungsbedingungen und war ein Ort, an dem Gemeinschaft gelebt wurde. Besonders in den langen und kalten Wintern war das Haus der wichtigste Aufenthaltsort der Familie. Neben seiner praktischen Funktion als Schutzraum hatte das Langhaus auch eine soziale Bedeutung. Es symbolisierte die Zusammengehörigkeit der Familie und diente als Versammlungsort für Zeremonien und Feste.
Die Einfachheit des Langhauses war zugleich Ausdruck der engen Verbindung der Germanen zur Natur. Die Baumaterialien stammten direkt aus der Umgebung, und die Konstruktion war darauf ausgelegt, sich in das natürliche Umfeld einzufügen. Diese Bauweise war nicht nur effizient, sondern auch nachhaltig, da die verwendeten Materialien biologisch abbaubar waren.
Regionale Unterschiede
Trotz der grundlegenden Ähnlichkeiten wiesen germanische Wohnhäuser je nach Region und klimatischen Bedingungen Unterschiede auf. In nördlicheren Gebieten, wie in Skandinavien, waren die Dächer der Häuser steiler, um Schnee besser abgleiten zu lassen. In diesen Gegenden wurden die Wände auch oft dicker gebaut, um besser gegen die Kälte zu isolieren.
In den südlicheren und westlichen Gebieten, die näher am Römischen Reich lagen, nahmen die Germanen in manchen Fällen Bauweisen und architektonische Elemente der Römer auf. So wurden beispielsweise in germanischen Siedlungen entlang des Limes vereinzelt römische Steinbauten gefunden, die möglicherweise von wohlhabenderen Germanen übernommen wurden.
Weiterentwicklung und Einflüsse
Die germanischen Wohnhäuser blieben über viele Jahrhunderte hinweg in ihrer Grundform relativ konstant, doch im Laufe der Zeit gab es Einflüsse von außen, die Veränderungen anregten. Besonders die Nähe zum Römischen Reich führte dazu, dass germanische Stämme neue Baumethoden und Materialien übernahmen. Dies zeigte sich vor allem in den späteren Phasen der Völkerwanderungszeit, als germanische Stämme begannen, sich dauerhaft in ehemaligen römischen Gebieten niederzulassen.
In der Merowingerzeit und danach, als das Fränkische Reich an Bedeutung gewann, entwickelten sich auch die germanischen Siedlungsstrukturen weiter. Es entstanden größere Gehöfte und Dörfer, und die Bauweise der Häuser wurde komplexer. Dennoch blieben viele der Grundprinzipien, wie die Verwendung von Holz und Lehm sowie die Multifunktionalität des Wohnraums, erhalten.
Archäologische Funde
Archäologische Funde von germanischen Wohnhäusern stammen vor allem aus den Gebieten des heutigen Deutschlands, Dänemarks und der Niederlande. Viele dieser Funde sind aufgrund der Vergänglichkeit der verwendeten Materialien nur schwer zu rekonstruieren, doch es gibt gut erhaltene Beispiele, insbesondere in Moorgebieten, wo die feuchte Umgebung die organischen Materialien konserviert hat.
Ein bekanntes Beispiel ist das Dorf „Haithabu“ in Norddeutschland, das eine bedeutende Siedlung der Wikingerzeit war, aber auch Rückschlüsse auf ältere germanische Bauweisen zulässt. Hier wurden Überreste von Langhäusern entdeckt, die einen guten Einblick in die Bauweise und das tägliche Leben der Germanen bieten.
Zusammenfassung
Das germanische Wohnhaus, insbesondere das Langhaus, war ein einfaches, aber funktionales Bauwerk, das sowohl den Bedürfnissen der Menschen als auch den natürlichen Gegebenheiten angepasst war. Es war ein Ort der Arbeit, des Zusammenlebens und des Schutzes und spiegelte die enge Verbindung der Germanen zu ihrer Umwelt wider. Archäologische Funde und historische Quellen liefern uns heute wertvolle Einblicke in die Bauweise und Struktur dieser frühen Wohngebäude, die die Grundlage für spätere Entwicklungen in der mitteleuropäischen Architektur legten.
Siehe auch
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