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Galli|en, lateinisch Gallia, in der römischen Antike das Land der Gallier, ursprüngliche Bezeichnung für Oberitalien, in das die Gallier um 400 v. Chr. eingewandert waren und das später – nach seiner Lage zu Rom – als Gallia Cisalpina oder Gallia Citerior (»Gallien diesseits der Alpen«) von der Gallia Transalpina oder Gallia Ulterior (»Gallien jenseits der Alpen«), dem Gebiet der heutigen Länder Frankreich und Belgien, unterschieden wurde. Die Gallia Cisalpina, durch den Po (lateinisch Padus) in die Gallia Cispadana (zwischen Apennin und Po) und die Gallia Transpadana (zwischen Po und Alpen) unterteilt, wurde von den Römern in den Jahren 225–190 v. Chr. unterworfen und zur Provinz gemacht; die Einwohner erhielten 89 v. Chr. das latinische, 49 v. Chr. das römische Bürgerrecht. 42 v. Chr. wurde die Provinz mit dem übrigen Italien vereinigt.

Das transalpine Gallien umfasste das Gebiet zwischen Rhein, Alpen, Mittelmeer, Pyrenäen und Atlantischem Ozean. Die Römer eroberten seit 125 v. Chr. zunächst das Gebiet des heutigen Südfrankreich. 122 v. Chr. folgte die Gründung von Aquae Sextiae (Aix-en-Provence), 118 die Anlage der Kolonie Narbo Martius (Narbonne). Nach ihr erhielt die Provinz den Namen Gallia Narbonensis. Caesar eroberte dann nach der Abwehr des Ariovist 58–51 v. Chr. das restliche Gallien, die Gallia Comata (so genannt nach den langen Haaren der Gallier). Durch Agrippa erhielt das Land seit 19 v. Chr. ein großzügiges Straßennetz. Augustus übergab 27 v. Chr. die Narbonensis dem Senat und gliederte die Comata in drei Provinzen (»tres Galliae«): Aquitania im Südwesten bis zur Loire, Gallia Lugdunensis (das zentrale Gallien) und im Nordosten Gallia Belgica, deren Statthaltern bis 90 n. Chr. die Rheingrenze zum Schutz gegen die Germanen als besonderer Militärbezirk unterstellt war. Politischer Mittelpunkt war der Kaiseraltar bei Lyon, wo sich auch der gallische Landtag versammelte. Die 43 v. Chr. gegründete Kolonie Lugdunum (Lyon) war ein wichtiger Straßenknotenpunkt und wurde der größte Handelsplatz im Westen. Die Hauptorte (»Vororte«) der gallischen Stämme (»civitates«) entwickelten sich in der Kaiserzeit ebenfalls zu blühenden Städten, so Augusta Treverorum (Trier), Lutetia Parisiorum (Paris), Durocortorum Remorum (Reims), ferner Augustodunum (Autun) und Burdigala (Bordeaux) mit bedeutenden Schulen.

Im 1.–3. Jahrhundert erlebte Gallien einen großen wirtschaftlichen Aufschwung und wurde zu einer der wenigen autarken Provinzen des Römischen Reiches. Ihr Reichtum beruhte auf landwirtschaftlicher Überproduktion, bedeutender Metallverarbeitung, Textilgewerbe und Keramikherstellung (Terra sigillata) und ihrer Funktion als Drehscheibe des Handels von Süden nach Germanien und Britannien. Reges geistiges Leben (u. a. durch die Schulen von Augustodunum und Burdigala) machte Gallien zu einem Zentrum der Bildung im Reich. Das Christentum fand bereits im 2. Jahrhundert über Massilia (Marseille) und Lugdunum Eingang in Gallien und erreichte schon bald den Niederrhein.

Die Reichskrise des 3. Jahrhunderts wurde in Gallien durch die massiven Einfälle von Franken und Alemannen (257–275) erheblich verschärft. Um die Grenzen der bedrohten gallischen Provinzen besser schützen zu können, errichtete Postumus 260 eine von Rom unabhängige Herrschaft mit Residenz Köln (»gallisches Sonderreich«), die sich bis Tetricus (271–274) erfolgreich hielt. Bei der Neuordnung des Reiches unter Diokletian wurde Gallien in zwei Diözesen mit den Hauptstädten Augusta Treverorum und Vienna (Vienne) aufgeteilt, unter Konstantin mit Britannien und Hispania (Spanien) zu einer Präfektur (Hauptstadt Augusta Treverorum) vereinigt. Trotz nicht nachlassender germanischer Einfälle gelang den Römern immer wieder eine erfolgreiche Abwehr (u. a. durch den Sieg Kaiser Julians über die Alemannen bei Straßburg 357). Seit der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts wurden verstärkt freiwillig dienende Germanen ins reguläre römische Heer übernommen und teilweise angesiedelt (Föderaten). Mit ihrer Hilfe konnten v. a. die Elitetruppen des Feldheeres, trotz der verheerenden Einfälle (406/408) von Wandalen, Sueben und Alanen sowie der Hunnen unter Attila (451), den militärisch-politischen Bestand Galliens bis über die Mitte des 5. Jahrhunderts bewahren. Neben der Ansiedlung und dem militärischen Einsatz verschiedener germanischer Bevölkerungsgruppen kam es bereits Mitte des 4. Jahrhunderts zur Niederlassung salischer Franken in Toxandrien (Nordbrabant), während des 5. Jahrhunderts ließen sich schließlich Burgunder (413) und Westgoten (418) im spätrömischen Gallien nieder. Durch diese stammesmäßige Ansiedlung von Germanen war das römische Herrschaftsgebiet weitgehend auf Mittelgallien (unter Syagrius) beschränkt. Es erlag erst 486/487 dem Angriff der Franken unter Chlodwig (I.).

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