Europäisches Arbeitsrecht, die Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft zum Arbeitsrecht. Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. 3. 1957 enthielt kaum arbeitsrechtliche Vorschriften. Geregelt war die Gewährung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Artikel 48 EWG-Vertrag, jetzt Artikel 39 EG-Vertrag), die sozialversicherungsrechtlich durch die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vom 14. 6. 1971 abgesichert worden ist. Im EWG-Vertrag war auch schon der Grundsatz der Lohngleichheit von Frauen und Männern enthalten (Artikel 119 EWG-Vertrag, jetzt Artikel 141 EG-Vertrag). In den Vertrag über die Europäische Union (Maastrichter Vertrag vom 7. 2. 1992) wurden keine materiellen arbeitsrechtlichen Regelungen aufgenommen. Eine umfassende Kompetenz auf dem Gebiet des Arbeits- und Sozialrechts ist der EG durch das Abkommen zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland über die Sozialpolitik vom 7. 2. 1992 zugewachsen. Das Abkommen wurde mit dem Beitritt von Großbritannien und Nordirland in den Vertrag von Amsterdam vom 2. 10. 1997 aufgenommen.
Zu den Aufgaben der Gemeinschaft gehört es, ein hohes Beschäftigungsniveau und ein hohes Maß an sozialem Schutz sowie die Gleichstellung von Männern und Frauen zu erreichen (Artikel 2 EG-Vertrag). Nach Artikel 136 EG-Vertrag sollen innerhalb der Gemeinschaft die Förderung der Beschäftigung und die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen erreicht werden. Zur Verwirklichung dieses Ziels unterstützt und ergänzt die Gemeinschaft die Mitgliedsstaaten auf folgenden Gebieten: Arbeitsumwelt (Schutz der Gesundheit), Arbeitsbedingungen, soziale Sicherheit und sozialer Schutz der Arbeitnehmer, Schutz der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsvertrags, Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer, Vertretung und kollektive Wahrnehmung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen, Beschäftigungsbedingungen der Staatsangehörigen dritter Länder, berufliche Eingliederung der aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzten Personen, Chancengleichheit von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt und Gleichbehandlung am Arbeitsplatz, Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung und Modernisierung der Systeme des sozialen Schutzes (Artikel 137 Absatz 1 EG-Vertrag). Die Kompetenzzuweisung bezieht sich nicht auf das Arbeitsentgelt (Artikel 137 Absatz 6 EG-Vertrag).
Die EG übt die Rechtsetzung durch Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen sowie durch Empfehlungen aus (Artikel 249 EG-Vertrag). Arbeitsrechtlich bedeutsam sind v. a. einige Richtlinien (die von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umzusetzen sind) und Verordnungen (gelten unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat). Grundsätzlich beschließt der Rat die Maßnahmen. Ein Mitgliedsstaat kann den Sozialpartnern auf deren gemeinsamen Antrag die Durchführung von angenommenen Richtlinien überlassen. Andererseits haben die Sozialpartner vor der Unterbreitung von Vorschlägen im Bereich der Sozialpolitik durch die Kommission der EG Anhörungsrechte (Artikel 138 EG-Vertrag) und können das Verfahren zum sozialen Dialog nach Artikel 139 EG-Vertrag in Gang setzen.
Zum Arbeits- und Sozialrecht sind zahlreiche Richtlinien ergangen, die sich z. B. mit folgenden Themen beschäftigen: Abschluss und Inhalt des Arbeitsvertrages (sogenannte Nachweisrichtlinie), Gleichstellung der Geschlechter (Gleichberechtigung), Bestandsschutz im Arbeitsverhältnis, kollektives Arbeitsrecht (europäischer Betriebsrat), Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverhältnisse, soziale Sicherheit (z. B. Mutterschutz), technischer Arbeitsschutz. Durch Verordnungen ist v. a. das Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer konkretisiert worden (Verordnung 1612/68 des Rates vom 15. 10. 1968, Verordnung 1251/70 der Kommission vom 29. 6. 1970).