Europäische Union, Abkürzung EU, englisch European Union [jʊərəˈpiːn ˈjuːnjən], französisch Union Européenne [yˈnjõ œrɔpeˈεn]. Auf Basis des am 1. 11. 1993 in Kraft getretenen Vertrags über die EU (Maastrichter Vertrag) geschaffener politischer und wirtschaftlicher Zusammenschluss, der mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. 12. 2009 eine einheitliche Struktur erhielt und damit die bisher getrennten »Säulen« der EU, die Europäischen Gemeinschaften (EG), die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) sowie die Polizeiliche und Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS), integrierte.
Ziele
Die Ziele der EU sind in der Präambel zum Vertrag über die Europäische Union (EUV) und in dessen Artikel 3 niedergelegt. Danach besteht das übergeordnete politische Ziel darin, »den mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaften eingeleiteten Prozess der europäischen Integration auf eine neue Stufe zu heben«. Zu den wirtschaftlichen und sozialpolitischen Zielen der EU gehören die nachhaltige Entwicklung Europas auf Basis eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität sowie eine wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die Vollbeschäftigung, sozialen Fortschritt (u. a. Bekämpfung sozialer Ausgrenzung, Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen, der Solidarität zwischen den Generationen und des Schutzes der Rechte des Kindes) und die Verbesserung der Umweltqualität anstrebt sowie den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt fördert. Die Mittel, mit denen diese Ziele verwirklicht werden sollen, sind vor allem die Errichtung eines Binnenmarktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion, deren Währung der Euro ist. Die EU bietet einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne Binnengrenzen (Artikel 3, 2 EUV), leistet einen Beitrag u. a. zu Frieden, Sicherheit, zum Schutz der Menschenrechte sowie der Einhaltung und Weiterentwicklung des Völkerrechts, insbesondere zur Wahrung der in der Charta der Vereinten Nationen festgelegten Grundsätze (Artikel 3, 5 EUV).
Struktur der EU-Verträge, Kompetenzaufteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten sowie Rechtsnatur der EU
Der Vertrag von Lissabon bietet den Rahmen für zwei Verträge, die das neue Primärrecht der EU darstellen: den EUV (veränderte Fassung) und den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der den EG-Vertrag ablöst. Während der EUV im Allgemeinen die grundlegenden Bestimmungen (z. B. über Werte, Ziele, demokratische Grundsätze, Organe der EU und eine verstärkte Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten) enthält, führt der AEUV die im EUV fixierten Grundbestimmungen aus und setzt sie in Beziehung zu der politikbereichsübergreifenden Organisation und Arbeitsweise der EU, zu den politikbereichsspezifischen Rechtsakten und Rechtsetzungsverfahren, zu den Grundsätzen und Zielen, die das Handeln der EU in jedem Politikfeld leiten, sowie zur vom Politikbereich abhängigen Reichweite und Eingriffstiefe der Unionszuständigkeiten gegenüber den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten. Beide Verträge sind gleichrangig und werden durch Protokolle näher erläutert. Sie sind nicht als Verfassung gedacht, enthalten aber wesentliche Elemente des gescheiterten Verfassungsvertrags. Artikel 47 EUV stattet die EU mit eigener Rechtspersönlichkeit aus, sie tritt als Rechtsnachfolgerin an die Stelle der Europäischen Gemeinschaft.
Nach Inkrafttreten des Maastrichter Vertrags (1. 11. 1993) waren die »drei Säulen« der EU ein gängiges Bild, um deren politischen Aufbau zu veranschaulichen. Die EU bildete lediglich ein »Dach«, das den Europäischen Gemeinschaften, der GASP sowie der Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres (ZJI; weite Teile der ZJI wurden mit dem Vertrag von Amsterdam [1. 5. 1999] in die EG eingegliedert, so dass in der »dritten Säule« nur die Polizeiliche und Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen [PJZS] verblieb) als institutioneller Rahmen diente. Während Entscheidungen in Politikfeldern, die den Europäischen Gemeinschaften zugeordnet waren, meist nach dem supranationalen Entscheidungsverfahren (Supranationalität) getroffen wurden, herrschte in den Bereichen GASP und PJZS das Prinzip der Intergouvernementalität. Diese Drei-Säulen-Struktur wurde mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon abgeschafft, indem der Vertrag einen einheitlichen Rechtsrahmen schuf, die EU Rechtspersönlichkeit erhielt und die Politikbereiche, in denen supranationale Entscheidungsverfahren gelten, ausgeweitet wurden. Die GASP hingegen unterliegt nach wie vor besonderen Bestimmungen und Beschlussverfahren.
Die Mitgliedstaaten der EU (seit dem 1. 7. 2013: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakische Republik, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn und Zypern) haben nach und nach Kompetenzen auf die europäische Ebene übertragen. Der Vertrag von Lissabon kategorisiert die Zuständigkeiten und gestaltet die Verteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten transparenter. Nach Artikel 2 AEUV gibt es Bereiche ausschließlicher Zuständigkeit der EU, Bereiche geteilter Zuständigkeit und solche, in denen die EU lediglich unterstützende, koordinierende oder ergänzende Maßnahmen durchführt. Ist die EU ausschließlich zuständig, so ist grundsätzlich nur die EU rechtsetzungsbefugt. Die Mitgliedstaaten können nur tätig werden, wenn die EU sie dazu ermächtigt, oder um Rechtsakte der EU durchzuführen. Nach Artikel 3 AEUV besteht ausschließliche Zuständigkeit für die Politikfelder Zollunion, Wettbewerbsregeln im Binnenmarkt, Währungspolitik in der Eurozone, Erhaltung der biologischen Meeresschätze im Rahmen der gemeinsamen Fischereipolitik und gemeinsame Handelspolitik. Geteilte Zuständigkeit bedeutet, dass sowohl EU als auch Mitgliedstaaten befugt sind, verbindliche Rechtsakte zu erlassen. Die Mitgliedstaaten nehmen ihre Zuständigkeit indes im Allgemeinen nur wahr, sofern und soweit die EU ihre Zuständigkeit nicht ausübt. Artikel 4 AEUV nennt als Politikbereiche der geteilten Zuständigkeit den Binnenmarkt, die Sozialpolitik hinsichtlich der im Vertrag erfassten Aspekte, den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt, die Landwirtschaft und Fischerei mit Ausnahme der Erhaltung der biologischen Meeresschätze, Umwelt, Verkehr, transeuropäische Netze, Energie, die europäische Innen- und Justizpolitik sowie gemeinsame Sicherheitsanliegen im Bereich der öffentlichen Gesundheit. In den Bereichen Forschung, technologische Entwicklung, Raumfahrt sowie Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe darf die EU nur Maßnahmen beschließen und Programme erstellen, die die nationale Politik der Mitgliedstaaten nicht behindern. Lediglich unterstützend, koordinierend oder ergänzend darf die EU in folgenden Bereichen tätig werden: Schutz und Verbesserung der menschlichen Gesundheit, Industrie, Kultur, Tourismus, allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport, Katastrophenschutz und Verwaltungszusammenarbeit. Eine Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für diese Politikfelder ist mithin ausgeschlossen.
Grundlage für die Übertragung von Kompetenzen auf die EU ist das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Artikel 5 EUV). Danach müssen die Mitgliedstaaten alle Zuständigkeiten einzeln auf die EU übertragen und diese müssen explizit in den entsprechenden Verträgen aufgeführt sein. In allen anderen Fällen verbleibt die Zuständigkeit bei den Mitgliedstaaten. Nach dem Subsidiaritätsprinzip darf die EU in Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig werden, sofern und soweit die angestrebten Ziele auf der Ebene der Mitgliedstaaten (im Rahmen der nationalen Gesetzgebung und Verwaltung) nicht ausreichend und daher besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können.
Die EU stellt keinen neuen (Bundes-)Staat dar, obwohl die Mitgliedstaaten etliche staatliche Kompetenzen und damit auch Bestandteile ihrer eigenen Staatlichkeit auf sie übertragen haben. Die EU kann allerdings nur im Rahmen dieser Übertragungen tätig werden, sie kann also nicht, anders als ein Staat, sich selbst neue Betätigungsfelder schaffen. Wenngleich im Vertrag von Lissabon die Rechte des Europäischen Parlaments entscheidend erweitert wurden (z. B. Erhebung des Mitentscheidungsverfahrens zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren), legitimiert auch nicht allein das Europäische Parlament das Handeln der EU-Organe; vielmehr erfolgt die demokratische Legitimation der Maßnahmen der EU hauptsächlich über die Staatsvölker der Mitgliedstaaten, d. h. über deren nationale Parlamente, die, indem sie die Regierungen wählen, Vertreter in den Ministerrat und in den Europäischen Rat entsenden. Die EU beruht somit auf einer doppelten Legitimationsbasis. Das bedeutet auch, dass Aufgaben und Befugnisse von substanziellem Gewicht bei den nationalen Parlamenten verbleiben müssen. Das Gebilde der EU ist damit eine neuartige Staatenverbindung, die als »Staatenverbund« oder auch als »internationale Organisation eigener Art« bezeichnet wird und in deren Rahmen sowohl die Mitgliedstaaten als auch die EU ihre Rechtspersönlichkeit gewahrt haben.
Gemeinsame Organe
Europäisches Parlament
Das Europäische Parlament ist das gemeinsame parlamentarische Organ der EU (Artikel 14 EUV), das in den einzelnen Vertragswerken (ehemals Artikel 4 EWG-Vertrag, Artikel 3 EURATOM-Vertrag, ehemals Artikel 7 EGKS-Vertrag) zunächst als (Europäische) Versammlung bezeichnet wurde und sich durch Entschließung vom 30. 3. 1962 seinen heutigen Namen gab. Dieser wurde durch die Einheitliche Europäische Akte (EEA) in die Verträge aufgenommen. Vorläufer des Europäischen Parlaments war die Gemeinsame Versammlung der EGKS, die mit Wirkung vom 1. 1. 1958 mit den Versammlungen von EWG und EURATOM verschmolz.
Das Europäische Parlament wird auf der Grundlage nationaler Wahlordnungen (in Deutschland: Europawahlgesetz vom 16. 6. 1978 in der Fassung vom 8. 3. 1994 [mehrfach geändert], Europawahlordnung vom 27. 7. 1988 in der Fassung vom 2. 5. 1994 [mehrfach geändert]) auf fünf Jahre direkt gewählt. Die Anzahl der Mitglieder ist nach Artikel 14, 2 EUV auf 751 einschließlich des Präsidenten beschränkt. Die Anzahl der Abgeordneten pro Mitgliedstaat richtet sich nach dem Prinzip der »degressiven Proportionalität«: Größere Staaten stellen mehr Abgeordnete als kleinere Staaten, aber zugleich haben kleinere Staaten mehr Abgeordnete pro Einwohner als größere Staaten. Damit fehlt einer der wichtigsten Grundsätze des demokratischen Wahlrechts, nämlich dass jeder Stimme gleich viel Gewicht zuzukommen habe, da neben der Repräsentation der Völker Europas dem völkerrechtlichen Grundsatz der Staatengleichheit Rechnung getragen wird. Dieses »Demokratiedefizit« wird jedoch durch einen doppelten Legitimationsstrang weitgehend kompensiert. Einerseits wird das Europäische Parlament unmittelbar vom Volk gewählt. Andererseits kann sich der Rat der EU mittelbar auf eine Legitimation durch das Volk stützen, da die in ihm vertretenen Regierungsmitglieder der Mitgliedstaaten von den nationalen Parlamenten bestimmt werden.
Der geänderte EUV sieht erstmals keine konkrete Aufteilung der Sitze auf die Mitgliedstaaten vor – diese zu erlassen, ist dem Europäischen Rat vorbehalten und bedarf der Zustimmung des Parlaments –, sondern gibt lediglich einen Rahmen vor: Danach erhält ein Mitgliedstaat mindestens 6 und maximal 96 Vertreter im Parlament. Für die Wahlperiode 2014–19 wurde folgende Verteilung festgelegt: Deutschland 96, Frankreich 74, Italien und Großbritannien je 73, Spanien 54, Polen 51, Rumänien 32, Niederlande 26, Belgien, Tschechische Republik, Griechenland, Ungarn und Portugal je 21, Schweden 20, Österreich 18, Bulgarien 17, Dänemark, Finnland und Slowakische Republik je 13, Irland, Kroatien und Litauen je 11, Lettland und Slowenien je 8 sowie Estland, Luxemburg, Malta und Zypern je 6 Abgeordnete.
Die Abgeordneten verbinden sich im Europäischen Parlament je nach der Verwandtschaft ihrer politischen Richtungen und unabhängig von ihrer Nationalität zu Fraktionen. Seit 2004 ist die Mitgliedschaft im Europäischen Parlament unvereinbar mit der Eigenschaft als nationaler Abgeordneter. An der Spitze des Parlaments stehen der Präsident (Amtsdauer zweieinhalb Jahre) und 14 Vizepräsidenten. Es gibt 20 Ausschüsse, deren Arbeiten vom Generalsekretariat vorbereitet werden; die Arbeitsabläufe bestimmt die Geschäftsordnung. Zu den Ausschüssen gehört ein Petitionsausschuss, den jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnort oder Sitz in einem Mitgliedstaat anrufen kann. Das Europäische Parlament ernennt einen Bürgerbeauftragten, an den die genannten Personen Beschwerden gegen die Tätigkeit der Organe und Institutionen der Union richten können. Weiter kann das Parlament nicht ständige Untersuchungsausschüsse einsetzen, um die Anwendung des Gemeinschaftsrechts beziehungsweise Verstöße dagegen überprüfen zu lassen.
Tagungsorte des Europäischen Parlaments sind für das Plenum Straßburg und Brüssel, für die Ausschüsse und Fraktionen in der Regel Brüssel; das Generalsekretariat hat seinen Sitz in Luxemburg.
Die Aufgaben und Befugnisse des Parlaments beschränkten sich vor Inkrafttreten des Maastrichter Vertrags im Wesentlichen auf Kontrollfunktionen gegenüber der Kommission, nicht aber gegenüber dem Rat. Die Rechtsetzungsbefugnisse des Parlaments wurden durch die Verträge von Maastricht und Amsterdam erweitert, galten aber in einigen Bereichen noch immer als gering, da die Rechte des Parlaments dort im Wesentlichen auf ein Konsultationsrecht im Verfahren beschränkt waren, in dem der Rat die ausschlaggebende Kompetenz besaß. Das Mitentscheidungsverfahren, nach dem das Parlament erstmals Maßnahmen endgültig verwerfen konnte, wurde im Maastrichter Vertrag eingeführt und im Amsterdamer Vertrag ausgedehnt. Die Wirtschafts- und Währungspolitik ausgenommen, fand es auf nahezu alle Bereiche, die in den Zuständigkeitsbereich der EG fielen, Anwendung. Mit dem Vertrag von Lissabon sind die Rechte des Parlaments entscheidend erweitert worden. Das betrifft zum einen die gesetzgeberischen Befugnisse. Für die meisten Politikbereiche gilt jetzt das »ordentliche Gesetzgebungsverfahren« (Artikel 289 AEUV), in dem Parlament und Rat gemeinsam einen von der Kommission vorgeschlagenen Rechtsakt (Verordnung, Richtlinie oder Beschluss) annehmen müssen, mithin gleichberechtigt sind. Im Rahmen dieses Verfahrens können in zwei Lesungen Änderungen zu dem Gesetzesakt eingebracht werden. Daneben gibt es jedoch besondere Gesetzgebungsverfahren, auf die das Parlament nach wie vor kaum bzw. keinen Einfluss hat. Hierzu zählen z. B. internationale Übereinkünfte im Rahmen der GASP und GSVP.
Von der Ausweitung der Rechte des Parlaments ist zum anderen das Haushaltswesen der EU betroffen, da Rat und Europäisches Parlament gemeinsam die Haushaltsbehörde bilden (Haushaltsverfahren nach Artikel 314 AEUV).
Des Weiteren hat das Parlament weitgehende Mitwirkungsrechte bei der Änderung von Verträgen (konkurrierendes Initiativrecht), neue Kontrollrechte in der GASP und hinsichtlich der Kommission (v. a. Wahl des Präsidenten der Kommission auf Vorschlag derselben) erhalten.
Europäischer Rat
Der Europäische Rat ist seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon Organ der Europäischen Union. Zusammensetzung und Aufgaben des Europäischen Rats sind in Artikel 15 EUV genannt. Er besteht im Grundsatz aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, seinem Präsidenten und dem Präsidenten der Kommission. Der von ihm mit qualifizierter Mehrheit ernannte Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (HV) nimmt an seinen Arbeiten teil. Der Europäische Rat tagt turnusgemäß zweimal pro Halbjahr; wenn die Sachlage es erfordert, ist der Präsident berechtigt, eine außerordentliche Tagung einzuberufen. Er entscheidet grundsätzlich im Konsens, also einstimmig; der Präsident des Europäischen Rats und der Präsident der Kommission sind nicht stimmberechtigt (Artikel 235, 1 AEUV). Der Europäische Rat legt die Leitlinien und Ziele der EU fest und gibt die für ihre Entwicklung erforderlichen Impulse, wird aber nicht gesetzgeberisch tätig. Zudem bestimmt er u. a. die strategische Orientierung in der GASP und legt fest, in welchen Bereichen der Rat mit qualifizierter Mehrheit entscheiden kann.
Seinen Präsidenten wählt der Europäische Rat für eine Amtszeit von zweieinhalb Jahren mit qualifizierter Mehrheit (einmalige Wiederwahl möglich). Der Präsident, der kein einzelstaatliches Amt ausüben darf, führt u. a. den Vorsitz, gewährleistet die Kontinuität der Arbeiten und fördert Zusammenhalt und Konsens im Europäischen Rat. Unbeschadet der Befugnisse des HV nimmt er auf seiner Ebene und in seiner Eigenschaft die Außenvertretung der EU in Angelegenheiten der GASP wahr.
Der Europäische Rat wurde im Dezember 1974 als institutionalisierte Tagungen der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der EG eingerichtet. 1986 erhielt er durch die EEA erstmals eine vertragliche Grundlage; im Vertrag von Maastricht wurde er offiziell als Institution der EU verankert. Bis zum Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon übernahm jeweils der Staats- beziehungsweise Regierungschef des Mitgliedstaates, der im Rat den Vorsitz innehatte, auch den Vorsitz des Europäischen Rats.
Rat der Europäischen Union
Im Rat der Europäischen Union (Rat, Ministerrat) sind die Regierungen der Mitgliedstaaten vertreten. Er setzt sich aus je einem Vertreter der Mitgliedstaaten auf Ministerebene zusammen, so dass für Deutschland nicht nur Bundes-, sondern auch Landesminister entsandt werden können, wenn diese nach innerstaatlichem Recht befugt sind, für die Regierung verbindlich zu handeln. Die konkrete Zusammensetzung des Rats wechselt entsprechend den zu behandelnden Themen (z. B. Außenpolitik, Wirtschaft und Finanzen, Justiz und Inneres). Gemäß Artikel 16, 1 EUV ist der Rat zusammen mit dem Europäischen Parlament Gesetzgebungsorgan und übt gemeinsam mit ihm die Haushaltsbefugnisse aus. Zudem koordiniert der Rat in Grundzügen die Wirtschaftspolitik in den Mitgliedstaaten, entwickelt auf der Grundlage der vom Europäischen Rat festgelegten Leitlinien die GASP der Union und schließt internationale Übereinkünfte mit anderen Staaten oder internationalen Organisationen ab.
Die Europaflagge weist auf blauem Tuch zwölf fünfzackige Sterne auf, die als Symbol für Vollkommenheit und Einheit stehen. Die Europaflagge ist seit 1955 die offizielle Flagge des Europarates, wurde 1986 von den Europäischen Gemeinschaften übernommen und ist heute das Symbol für die Europäische Union.
Den Vorsitz im Rat führt der Vertreter des Mitgliedstaates, der die halbjährlich wechselnde Präsidentschaft innehat. Eine Ausnahme bildet der Rat für Auswärtige Angelegenheiten, den der HV leitet. Die Tagungen des Rats finden in der Regel in Brüssel statt. Für die Vorbereitung der Arbeiten des Rats zeichnet ein Ausschuss der Ständigen Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten verantwortlich.
In sensiblen Politikbereichen wie der GASP beschließt der Rat einstimmig, in reinen Verfahrensfragen genügt eine einfache Mehrheit. Die meisten Beschlüsse fasst der Rat allerdings mit qualifizierter Mehrheit. Diese ist im Vertrag von Lissabon nach dem Prinzip der doppelten Mehrheit definiert: Gemäß Artikel 16, 4 EUV ist eine qualifizierte Mehrheit erreicht, wenn mindestens 55 % der Mitglieder des Rats, gebildet aus mindestens 15 Mitgliedern, die mindestens 65 % der Bevölkerung der Union repräsentieren, einen Beschluss fassen. Damit wird das Kriterium Bevölkerungsanteil stärker als bisher gewichtet. Dieses Verfahren findet endgültig ab dem 31. 3. 2017 Anwendung, sofern keiner der Mitgliedstaaten widerspricht, bereits ab dem 1. 11. 2014.
Bis dahin gilt das im Vertrag von Nizza vorgesehene Verfahren zur Berechnung der qualifizierten Mehrheit. Danach sind die Stimmgewichtungen (seit 1. 7. 2013) wie folgt verteilt: Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien je 29, Spanien und Polen jeweils 27, Rumänien 14, die Niederlande 13, Belgien, Griechenland, Tschechische Republik, Ungarn und Portugal je 12, Österreich, Schweden und Bulgarien je 10, Dänemark, Irland, Litauen, Slowakische Republik, Finnland und Kroatien je 7 und Estland, Zypern, Lettland, Luxemburg und Slowenien jeweils 4, Malta 3 Stimmen. Stimmt die Mehrheit der Mitgliedstaaten, die zugleich 260 der 352 Stimmen auf sich vereinigt, einem Beschluss zu, dann ist eine qualifizierte Mehrheit erreicht. Auf Antrag eines Mitgliedstaates muss überdies festgestellt werden, ob die zustimmenden Mitgliedstaaten mindestens 62 % der EU-Bevölkerung repräsentieren.
Europäische Kommission
Die Europäische Kommission besteht seit 1. 7. 2013 aus 28 Mitgliedern, die von den Regierungen der Staaten der EU (deshalb im allgemeinen Sprachgebrauch auch EU-Kommission genannt) im gegenseitigen Einvernehmen und nach Zustimmung durch das Europäische Parlament für 5 Jahre ernannt werden. Ein Mitglied übernimmt als Präsident der Kommission eine Leitungsfunktion (u. a. Richtlinienkompetenz), den anderen Kommissaren sind politische Ressorts zugeordnet. Der HV, der die früheren Ämter des Hohen Vertreters für die GASP und des Kommissars für Außenbeziehungen auf sich vereinigt, ist zugleich einer der Vizepräsidenten der Europäischen Kommission.
Das Recht, den Präsidenten der Kommission vorzuschlagen, liegt beim Europäischen Rat, der jedoch nach Artikel 17, 7 EUV verpflichtet ist, das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament zu berücksichtigen. Der mit qualifizierter Mehrheit vorgeschlagene Kandidat muss vom Parlament mit einfacher Mehrheit gewählt werden. Daraufhin schlagen die Regierungen der Mitgliedstaaten jeweils eine Person aus ihrem Land für jeweils ein Ressort der Kommission vor. Die Gesamtliste muss der Europäische Rat in Absprache mit dem designierten Präsidenten mit qualifizierter Mehrheit annehmen. Zugleich bestimmt er mit Zustimmung des Kommissionspräsidenten, wer das Amt des HV übernehmen soll. Die Verteilung der anderen Ressorts obliegt dem Kommissionspräsidenten, der überdies weitere Vizepräsidenten unter den Kommissaren ernennen kann. Nach ausführlicher Befragung kann das Europäische Parlament die Kommission als Ganzes annehmen oder ablehnen. Stimmt es für die Kommission, wird diese vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit ernannt.
Nach Artikel 17, 3 EUV übt die Kommission ihre Tätigkeit »in voller Unabhängigkeit« aus. Ihr übergeordnetes Ziel ist es, »die allgemeinen Interessen der Union« zu fördern und »geeignete Initiativen zu diesem Zweck« zu ergreifen (Artikel 17, 1 EUV). Aus der Verpflichtung, die Gemeinschaftsinteressen der Union zu vertreten, ergibt sich auch, dass ihre Mitglieder nicht an die Weisungen einer Regierung, eines Organs, einer Institution oder einer anderen Stelle gebunden sind. Entschlüsse fasst die Kommission, die auch als »Motor der Integration« gilt, grundsätzlich nur gemeinsam (Kollegialprinzip) mit einfacher Mehrheit.
Die Kommission nimmt in erster Linie Aufgaben der Exekutive wahr. Als »Hüterin der Verträge« überwacht sie die Durchführung der Gemeinschaftsbeschlüsse, setzt den EU-Haushalt um und zeichnet für die korrekte Ausführung der EU-Programme verantwortlich. In Fällen von Vertragsverletzungen soll sie einschreiten und unter Umständen den Gerichtshof der EU anrufen. Im Rahmen der Wirtschafts- und Währungsunion prüft sie, ob die Aufnahmekriterien erfüllt sind, und überwacht die Einhaltung der Stabilitätskriterien. Bei Verstößen unterbreitet sie Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung und schlägt gegebenenfalls Sanktionen vor. Im Rahmen der Programmplanung ist sie bestrebt, institutionelle Vereinbarungen zu erreichen. Darüber hinaus besitzt die Kommission das alleinige Initiativrecht für Gesetzesvorschläge, aufgrund derer Rat und Parlament tätig werden können. Mit Ausnahme der GASP und weiterer, in den Verträgen vorgesehener Fälle nimmt die Kommission die Vertretung der EU nach außen wahr.
Um die Arbeitsfähigkeit des Gremiums zu verbessern und vor dem Hintergrund künftiger Erweiterungen zu erhalten, sieht der Vertrag von Lissabon grundsätzlich vor, die Anzahl der Kommissionsmitglieder ab 1. 11. 2014 auf zwei Drittel der Anzahl der Mitgliedstaaten zu begrenzen, sofern der Europäische Rat nicht einstimmig eine Änderung dieser Anzahl – und damit letztlich der Begrenzung – beschließt (Artikel 17, 5 EUV).
Europäische Zentralbank
Die Europäische Zentralbank (EZB) wurde zum 1. 6. 1998 gegründet und bildet zusammen mit den Notenbanken der 27 Mitgliedsländer der EU (nationale Zentralbanken) das Europäische System der Zentralbanken (ESZB). Sie besitzt Rechtspersönlichkeit, ihr Sitz ist Frankfurt am Main. Seit dem 1. 1. 1999 (Beginn der dritten Stufe der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion) ist die EZB für die einheitliche Geld- und Währungspolitik in der Eurozone zuständig. Zeichner und Inhaber des Grundkapitals sind die nationalen Zentralbanken.
Seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon ist die EZB ein Organ der EU (Artikel 13, 1 EUV). Mit dieser Reform verbinden sich Befürchtungen, die EZB könne in ihrer Unabhängigkeit eingeschränkt werden, da sie als »normales« Organ der EU verpflichtet sei, mit anderen Einrichtungen zur Verfolgung gemeinsamer Ziele zusammenzuarbeiten. Dagegen sprechen etliche Bestimmungen des Vertrags, die die Unabhängigkeit der EZB und des ESZB gewährleisten. So besagt Artikel 130 AEUV, dass bei »der Wahrnehmung der ihnen [EZB und ESZB] ... übertragenen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten« »weder die Europäische Zentralbank noch eine nationale Zentralbank noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane Weisungen von Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen« darf. Und in Artikel 282, 3 AEUV ist festgehalten, die EZB »ist in der Ausübung ihrer Befugnisse und der Verwaltung ihrer Mittel unabhängig«. In beiden Artikeln werden die Regierungen der Mitgliedstaaten sowie die Institutionen der EU dazu verpflichtet, den Grundsatz der Unabhängigkeit zu achten und die EZB wie auch die nationalen Zentralbanken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht zu beeinflussen.
Gemäß Artikel 283 AEUV sind der EZB-Rat und das EZB-Direktorium die Beschlussorgane der EZB. Der Rat besteht aus den Mitgliedern des Direktoriums der EZB und den Präsidenten der nationalen Zentralbanken der Länder der Eurozone. Das Direktorium setzt sich aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und vier weiteren Mitgliedern zusammen; es führt die laufenden Geschäfte, während der Rat die für die Geldpolitik der Union notwendigen Richtlinien erlässt. Die Mitglieder des Direktoriums werden vom Europäischen Rat auf Empfehlung des Rats, der hierzu das Europäische Parlament und den EZB-Rat anhört, aus dem Kreis der in Währungs- oder Bankfragen anerkannten und erfahrenen Persönlichkeiten mit qualifizierter Mehrheit ausgewählt und ernannt. Die Amtszeit beträgt 8 Jahre, eine Wiederernennung ist ausgeschlossen. Der Erweiterte Rat, dem der Präsident und der Vizepräsident der EZB sowie die Präsidenten der nationalen Zentralbanken aller EU-Staaten angehören, berät über die Aufnahme weiterer Länder in die Eurozone und wirkt u. a. bei der Erhebung statistischer Daten und der Erstellung des Jahresberichts mit. An den Sitzungen des EZB-Rats können der Präsident des Rats der EU und ein Mitglied der Europäischen Kommission ohne Stimmrecht teilnehmen. Vorläufer der EZB war das Europäische Währungsinstitut (EWI).
Vorrangiges Ziel des ESZB ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten (Artikel 282, 2 AEUV). Unter dieser Prämisse unterstützt es die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Union. Grundlegende Aufgaben der EZB sind: Festlegung und Ausführung der Geldpolitik der Europäischen Währungsunion, Durchführung von Devisengeschäften, Verwaltung der offiziellen Devisenreserven der Mitgliedstaaten und Förderung des reibungslosen Ablaufs der Zahlungssysteme. Nach Artikel 106 AEUV fungiert die EZB auch als Notenbank, d. h., die EZB und die nationalen Zentralbanken sind zur Ausgabe von Banknoten berechtigt. Das Recht zur Ausgabe von Münzen liegt bei den Mitgliedstaaten, wobei der Umfang der Genehmigung der EZB bedarf. Zur Durchführung ihrer Geschäfte können die EZB und die nationalen Zentralbanken für Kreditinstitute, öffentliche Stellen u. a. Marktteilnehmer Konten eröffnen. Zum umfangreichen geldpolitischen Instrumentarium der EZB gehören neben verschiedenen Formen von Offenmarktgeschäften (Hauptrefinanzierungs- und längerfristige Refinanzierungsgeschäfte, Feinsteuerungsoperationen wie Devisenswapgeschäfte, Hereinnahme von Termingeldern, Schnelltendergeschäfte, definitive Käufe und Verkäufe sowie strukturelle Operationen durch Emission von Schuldverschreibungen) die Spitzenrefinanzierungs- und die Einlagenfazilität (ständige Fazilitäten), mit denen am Geldmarkt eine Zinsober- und eine Zinsuntergrenze markiert werden kann, sowie die Mindestreservepolitik.
Gerichtshof der Europäischen Union
Das Recht sprechende Organ der EU wird als Gerichtshof der Europäischen Union bezeichnet. Er hat seinen Sitz in Luxemburg und umfasst den Gerichtshof (Europäischer Gerichtshof, EuGH), das Gericht (vormals [Europäisches] Gericht erster Instanz) und Fachgerichte (vormals Gerichtliche Kammern). Der EuGH besteht aus einem Richter pro Mitgliedstaat, er wird von Generalanwälten unterstützt, das Gericht setzt sich aus mindestens einem Richter pro Mitgliedstaat zusammen, Generalanwälte können berufen werden. Richter und Generalanwälte werden von den Regierungen der Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen auf 6 Jahre ernannt. Alle 3 Jahre findet eine teilweise Neubesetzung der Stellen der Richter und Generalanwälte statt. Die Richter des EuGH bzw. des Gerichts wählen aus ihrer Mitte für 3 Jahre jeweils den Präsidenten.
Der EuGH entscheidet u. a. über Klagen der Kommission gegen Mitgliedstaaten, Klagen (besonders Untätigkeits-, Nichtigkeitsklagen) von Mitgliedstaaten oder Organen gegen andere Unionsorgane, Klagen einzelner natürlicher oder juristischer Personen gegen Unionsorgane, Klagen der Bediensteten der EU und über Vorlagen nationaler Gerichte, wenn der Ausgang des nationalen Verfahrens mit Bezug zum Unionsrecht von einer Vorabentscheidung des EuGH abhängt. Die Rechtsprechung des EuGH hat in der Vergangenheit einen wesentlichen Beitrag zur europäischen Integration geleistet, v. a. durch die Betonung des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht in grundlegenden Fragen. Dem Gerichtshof ist ein Gericht beigeordnet. Es ist im Vorabentscheidungsverfahren für bestimmte Bereiche (siehe Artikel 256, 1 AEUV), für Beamtenklagen, für Klagen von natürlichen juristischen Personen gegen ein Organ der EU zuständig sowie Rechtsmittelinstanz für Entscheidungen der Fachgerichte. Die Fachgerichte könnten nach Artikel 257 AEUV für bestimmte Sachgebiete und bestimmte Kategorien von Klagen eingerichtet werden; zurzeit (Juli 2013) gibt es ein Fachgericht, und zwar das Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union.
Europäischer Rechnungshof
Der Europäische Rechnungshof (EuRH) mit Sitz in Luxemburg ist seit 1977 tätig. Er besteht aus einem Staatsangehörigen je Mitgliedstaat; die Mitglieder des EuRH werden vom Rat nach Anhörung des Europäischen Parlaments auf 6 Jahre ernannt und bestimmen aus ihrer Mitte den Präsidenten für eine Amtszeit von 3 Jahren. Der EuRH überwacht die rechtmäßige und ordnungsgemäße Verwendung der Haushaltsmittel der Union. Er überprüft sowohl die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung der EU-Organe als auch die vereinbarungsgemäße Mittelverwendung der Mitgliedstaaten. Die Ergebnisse seiner Prüfung veröffentlicht der Rechnungshof nach Abschluss eines jeden Haushaltsjahrs in einem Jahresbericht, er kann darüber hinaus jederzeit zu besonderen Fragen, vor allem in Form von Sonderberichten, Stellung beziehen.
Beratende Organe und Sprachen
Zu den beratenden Organen der EU gehören der Wirtschafts- und Sozialausschuss, der Ausschuss der Regionen und der Wirtschafts- und Finanzausschuss.
In der Union sind seit Juli 2013 24 Sprachen als Amtssprachen anerkannt (Bulgarisch, Dänisch, Deutsch, Englisch, Estnisch, Finnisch, Französisch, Griechisch, Irisch [Gälisch], Italienisch, Kroatisch, Lettisch, Litauisch, Maltesisch, Niederländisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Schwedisch, Slowakisch, Slowenisch, Spanisch, Tschechisch und Ungarisch). Alle Verordnungen und allgemein bedeutsame Schriftstücke werden in allen Amtssprachen veröffentlicht, auch die Urteile des EuGH. Arbeitssprachen der Organe sind Englisch, Französisch und – mit in der Praxis rückläufiger Tendenz – Deutsch.
Haushalt
Der Haushalt der Union wird vollständig durch ein System eigener Mittel finanziert (Artikel 311 AEUV), das ab 1971 entwickelt wurde. Eigene Mittel sind laut Ratsbeschluss vom 24. 6. 1988 Zölle, die bei der Wareneinfuhr in die Union (vor dem 1. 12. 2009: EG) erhoben werden (etwa 10 % der Einnahmen), Agrarabschöpfungen, die auf die Einfuhr von Agrarerzeugnissen aus Drittländern zu entrichten sind (etwa 1 %) sowie ein Teil der Mehrwertsteuereinnahmen der Mitgliedstaaten (etwa 14 %) und die BSP-Mittel, das ist ein Abführungssatz der Mitgliedstaaten auf ihr Bruttosozialprodukt, der im Rahmen des Haushaltsverfahrens festgelegt wird (etwa 75 % der Einnahmen).
Der Unionshaushalt soll auch Umverteilungsfunktionen im Sinn eines Finanzausgleichs erfüllen, so dass für einzelne Mitgliedstaaten kein Ausgleich zwischen Finanzierungsleistungen und Mittelrückflüssen infrage kommen kann.
Nach Artikel 311 muss die Einführung neuer Mittelkategorien beziehungsweise die Abschaffung bestehender vom Rat nach Anhörung des Europäischen Parlaments (nach einem »besonderen Gesetzgebungsverfahren«) einstimmig beschlossen und von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden. Die bisherige »finanzielle Vorschau« wurde als »mehrjähriger Finanzrahmen« in Artikel 312 AEUV vertraglich verankert; dieser muss vom Rat prinzipiell einstimmig beschlossen werden – es sei denn, der Rat beschließt einstimmig, in das Verfahren der qualifizierten Mehrheit zu wechseln. In beiden Verfahren muss das Parlament dem mehrjährigen Finanzrahmen zustimmen. Den Jahreshaushalt der Union legen Rat und Parlament im Rahmen des Haushaltsverfahrens nach Artikel 314 AEUV fest.
Der verabschiedete Haushalt 2018 der EU hat in Bezug auf die Mittel für Verpflichtungen ein Volumen von rd. 160 Mrd. €, auf die Mittel für Zahlungen ein Volumen von rd. 144,7 Mrd. €.
Zentrale Aufgabenbereiche
Gemeinsamer Markt
Kernstück der Union ist die Verschmelzung der Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten zu einem gemeinsamen Markt. Hierzu sind ein freier Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr sowie Niederlassungsfreiheit und Freizügigkeit der Arbeitnehmer in einem Raum ohne Binnengrenzen erforderlich.
Besonders wichtig für die Errichtung eines freien Warenverkehrs innerhalb der Gemeinschaft war die Bildung einer Zollunion (Artikel 30–37 AEUV). Diese führte durch eine schrittweise Senkung des allgemeinen Zolltarifs zum Abbau der Ein- und Ausfuhrzölle aller Waren. Mengenmäßige Ein- und Ausfuhrbeschränkungen der Mitgliedstaaten untereinander sind verboten. Ferner gehören Bestimmungen über einheitliche Zolltarife im Handel mit Drittländern (gemeinsamer Außenzolltarif) sowie die Angleichung des Zollrechts dazu.
Der AEUV (Artikel 45–62) enthält Bestimmungen, mit denen Freizügigkeit im Personenverkehr und Niederlassungsfreiheit sowie Freiheit des Dienstleistungsverkehrs vergrößert werden sollen. Solche Regelungen betreffen u. a. die gegenseitige Anerkennung von Prüfungszeugnissen, die Aufhebung von Aufenthaltsbeschränkungen, die Vereinheitlichung der Richtlinien für die Tätigkeit von Kreditinstituten und Versicherungen sowie die Erarbeitung eines gemeinschaftlichen Gesellschaftsrechts. Entsprechend soll es den Arbeitnehmern innerhalb der EU ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit möglich sein, unter vergleichbaren arbeitsrechtlichen Voraussetzungen ihren Arbeitsplatz zu wählen. Darüber hinaus ist mit dem Maastrichter Vertrag eine »Unionsbürgerschaft« eingeführt worden, die u. a. ein allgemeines Aufenthaltsrecht und das Kommunalwahlrecht unabhängig von der Staatsbürgerschaft vorsieht (Artikel 21–25 AEUV).
Während einer Übergangszeit wurden im Kapitalverkehr vorhandene Beschränkungen nicht sofort beseitigt, sondern zunächst nur so weit, wie es für das Funktionieren des gemeinsamen Marktes notwendig war. Demnach mussten z. B. solche Beschränkungen von Kapitalbewegungen abgebaut werden, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Waren-, Dienstleistungs- und Personenverkehr, dem Niederlassungsrecht sowie dem Handel mit börsengängigen Wertpapieren stehen. Seit dem 1. 1. 1994 sind auch die übrigen Kapitalbewegungen liberalisiert, die EU kann jedoch bei schwerwiegenden Störungen Beschränkungen verfügen (Artikel 63–66 AEUV).
Die Beseitigung nicht tarifärer Handelshemmnisse (v. a. unterschiedliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften, unterschiedliche Normen, Sicherheits-, Gesundheits- und Umweltschutzbestimmungen) soll nach dem AEUV (Artikel 114–118) durch Rechtsangleichung erreicht werden. So wurden zollrechtliche Vorschriften angeglichen (Anfang 1988 wurde für EG- und EFTA-Staaten z. B. ein einheitliches Formblatt, das Einheitspapier, eingeführt), in den meisten Mitgliedstaaten wird seit 1985 ein einheitlicher Europapass ausgegeben; Personenkontrollen an den Binnengrenzen werden abgebaut. Weitere Bereiche, in denen Rechtsvorschriften angeglichen und Behinderungen abgebaut wurden, sind das Gesellschaftsrecht, das Patent- und Markenrecht, die Normung und die öffentliche Auftragsvergabe. Zu einer Angleichung steuerlicher Vorschriften gemäß Artikel 110–113 AEUV ist es bislang nur teilweise gekommen. So wurde z. B. zwar 1973 die Mehrwertsteuer in allen Mitgliedstaaten eingeführt und 1977 eine einheitliche Bemessungsgrundlage geschaffen, die Steuersätze sind bisher aber unterschiedlich.
Die Schaffung eines gemeinsamen Marktes erfordert zunächst auch, dass sich alle Beteiligten an gleiche Wettbewerbsregeln halten. Die gemeinsame Wettbewerbspolitik wird in den Artikeln 101–106 AEUV behandelt. Danach sind alle Absprachen zwischen Unternehmen mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten, wenn sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken. Artikel 101 AEUV verbietet Unternehmen ferner, eine beherrschende Stellung auf dem gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben missbräuchlich auszunutzen, soweit dadurch der Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt wird. Seit September 1990 wird auch eine europäische Fusionskontrolle durchgeführt. Am 5. 2. 1962 wurde die erste Kartellverordnung vom Ministerrat verabschiedet. Damit schloss sich der Rat der Auffassung der Kommission an, dass die Wettbewerbsregeln des Gemeinschaftsrechts Rechtsnormen darstellen und es keiner vorherigen nationalen Entscheidung bedürfe, damit sie in allen Mitgliedstaaten Gültigkeit erlangen. Stellt die Europäische Kommission eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des AEUV fest, so kann sie an die Beteiligten eine Empfehlung richten, den Missstand abzustellen. Wird dem nicht entsprochen, so kann die Kommission durch eine Entscheidung die Beteiligten zur Abstellung verpflichten.
Des Weiteren sind staatliche Subventionen gemäß Artikel 107–109 AEUV verboten, insoweit sie den Wettbewerb und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Unter bestimmten Bedingungen (z. B. Förderung besonders strukturschwacher Regionen und Wirtschaftszweige) können staatliche Beihilfen als mit dem gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden.
Agrarpolitik
Ziele, Grundlinien, Organisation und Maßnahmen für eine gemeinsame Politik in den Bereichen Landwirtschaft und Fischerei regeln die Artikel 38–44 AEUV. Eine Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ist bereits seit den 1960er-Jahren einer der am intensivsten auf Gemeinschaftsebene geregelten Politikbereiche. Unter der Maßgabe, die Versorgung der Bürger und die Existenz der Landwirte sichern und die Märkte stabilisieren zu wollen, wurden in Agrarmarktordnungen (z. B. für Milch, Rindfleisch und Getreide) Mengen und Preise festgelegt, die die Marktmechanismen weitgehend außer Kraft setzten. Zur Finanzierung der GAP wurde der Europäische Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) gegründet (seit 2007 abgelöst durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums [ELER] und den Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft [EGFL]). Der den im EG-Raum ansässigen Erzeugern landwirtschaftlicher Produkte dadurch gewährte Schutz gegenüber der Konkurrenz aus Drittländern und die relativ hoch festgesetzten garantierten Mindestpreise mit unbegrenzter Abnahmeverpflichtung der staatlichen Interventionsstellen führten bei vielen Produkten zu Überschüssen, deren Aufkauf, Lagerung oder Vernichtung so hohe Ausgaben erforderten, dass eine Reform der Agrarpolitik notwendig wurde. Ab den 1980er-Jahren versuchte man deshalb, durch feste Produktionsquoten, Preissenkungen, Flächenstilllegungen und Umstrukturierungen die Ausgaben für die gemeinsame Agrarpolitik zurückzuführen. Wenngleich Landwirtschaft und Umwelt mit einem Anteil von 40 % an den Gesamtausgaben immer noch den zweitgrößten Ausgabenbereich im EU-Haushalt darstellen, ist der Anteil der Ausgaben rückläufig: Vor 20 Jahren betrug er noch rund 75 %.
Wirtschafts- und Währungspolitik
Um Funktionieren und Bestand des gemeinsamen Marktes langfristig zu sichern, sieht der AEUV (Artikel 120–133) eine gegenseitige Annäherung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten vor, besonders die Koordinierung der Konjunktur- und Wachstumspolitik sowie eine gemeinsame Handelspolitik gegenüber Drittländern (Außenhandels- und Entwicklungspolitik).
Zur Koordinierung der Konjunkturpolitik der Mitgliedstaaten wurden zunächst 3 beratende Gremien geschaffen: der Währungsausschuss, der Ausschuss für Konjunkturpolitik und der Ausschuss für mittelfristige Wirtschaftspolitik. Die entscheidenden Befugnisse zu konjunkturpolitischen Eingriffen lagen aber immer noch bei den Zentralbanken und den anderen wirtschaftspolitischen Instanzen der Mitgliedstaaten. Die Grundsatzentschließung des Rats (Werner-Plan) vom März 1971 zur Einrichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion war der erste Schritt zur weiteren Koordinierung der kurz- und langfristigen Wirtschaftspolitik. Als wichtige Etappen auf diesem Weg sind zu nennen: Harmonisierung der mittelfristigen gesamtwirtschaftlichen Zielsetzungen; Abkommen der Notenbanken über den kurzfristigen Währungsbeistand von 1970, das zum Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit und zum Europäischen Währungssystem ausgebaut wurde.
Die EEA verwirklichte noch nicht die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU), sprach dieses Ziel aber offen an. Eine vom Europäischen Rat 1988 eingesetzte Sachverständigengruppe legte 1989 den Delors-Bericht vor, der einen Dreistufenplan zur Errichtung der EWWU vorsah. Die erste Stufe begann am 1. 7. 1990 mit der Liberalisierung des Geld- und Kapitalverkehrs. Den Durchbruch zu einer gemeinsamen Wirtschafts- und Währungspolitik brachte erst der Maastrichter Vertrag. Dieser legte den Beginn der zweiten Stufe zur Verwirklichung der EWWU auf den 1. 1. 1994 fest. Ziel war die Schaffung einer einheitlichen europäischen Währung (Euro) innerhalb des gesamten Binnenmarktes der EG mit einer EZB; dieses Ziel sollte spätestens zum 1. 1. 1999 in der dritten Stufe erreicht werden (Artikel 121 EG-Vertrag). Das Europäische Währungsinstitut als Vorläufer der EZB nahm seine Arbeit am 1. 1. 1994 auf (Artikel 117 EG-Vertrag) und wurde nach deren Errichtung am 1. 6. 1998 aufgelöst. Am 1. 1. 1999 trat die dritte Stufe der EWWU in Kraft, damit ging die Verantwortung für die gemeinsame Geldpolitik im Eurowährungsraum (Eurozone) auf das ESZB über. Der Europäischen Währungsunion (EWU) gehörten auf Beschluss des Europäischen Rats zunächst nur 11 EU-Staaten an, seit 1. 1. 2015 sind es 19 EU-Staaten (Belgien, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Slowakische Republik, Slowenien, Spanien, Zypern). Im bargeldlosen Zahlungsverkehr wird der Euro seit dem 1. 1. 1999 verwendet, die Einführung des Eurobargeldes erfolgte ab dem 1. 1. 2002. Die nationalen Währungen verloren spätestens am 1. 7. 2002 grundsätzlich ihre Gültigkeit. Es besteht kein fester Zeitplan für die Euroeinführung, erforderlich ist die Erfüllung der entsprechenden Kriterien.
Regional- und Strukturpolitik
Entscheidend für eine gemeinsame Wirtschaftspolitik ist es, bestehende Unterschiede im wirtschaftlichen Entwicklungsstand zwischen den verschiedenen Regionen der Union zu verringern. Dazu dient die Regional- und Strukturpolitik, die mit Hilfe zweier Strukturfonds und des Kohäsionsfonds finanziert wird. Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) unterstützt seit 1975 infrastrukturelle Maßnahmen sowie produktive, beschäftigungswirksame Investitionen. Der 1958 ins Leben gerufene Europäische Sozialfonds (ESF) fördert die berufliche Eingliederung von Arbeitslosen und benachteiligten Bevölkerungsgruppen, indem er vor allem Ausbildungsmaßnahmen finanziert. Der 1994 errichtete Kohäsionsfonds ist für diejenigen Länder bestimmt, deren Pro-Kopf-BIP sich auf weniger als 90 % des Durchschnitts in der Union beläuft. Er dient der Finanzierung von Infrastrukturvorhaben in den Bereichen Umwelt und Verkehr. Die Unterstützung aus dem Kohäsionsfonds wird indes nur gewährt, wenn das öffentliche Defizit eines Mitgliedstaats 3 % des nationalen BIP nicht übersteigt.
Zudem unterstützt die Europäische Investitionsbank durch Darlehen und Bürgschaften die Durchführung von Projekten zum Zweck der Beseitigung regionaler Benachteiligungen.
Handelspolitik
Wesentliches Element der gemeinsamen Außenhandelspolitik ist, dass sie ein gemeinsames Zolltarifsystem gegenüber Drittländern definiert. Die Sätze des Gemeinsamen Zolltarifs legt der Rat der EU auf Vorschlag der Kommission fest (Artikel 31 AEUV). Dies gilt auch in Bezug auf die Vorschriften über Einfuhrkontingente. Dadurch soll verhindert werden, dass durch den Außenhandel einzelner Mitgliedstaaten die Entwicklung des gemeinsamen Marktes beeinträchtigt wird. Zudem haben die Mitgliedstaaten einzelstaatliche Rechte an die Europäische Kommission abgetreten, so dass diese Handelsabkommen mit Drittländern vereinbaren kann (Artikel 207 AEUV). Mit zahlreichen Ländern im Mittelmeerraum (z. B. Türkei 1963, Malta 1971, Zypern 1973) und den nicht den EG beziehungsweise der EU beigetretenen EFTA-Mitgliedern sind entsprechende Abkommen abgeschlossen worden. Der Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern sind die Artikel 208–211 AEUV gewidmet, auf deren Grundlage den Entwicklungsländern bei der Einfuhr von Halb- und Fertigfabrikaten in den gemeinsamen Markt Zollpräferenzen (»System allgemeiner Präferenzen«) gewährt werden. Den Staaten, die intensivere wirtschaftliche Beziehungen zur Gemeinschaft pflegen wollen, als das durch Handelsabkommen erreichbar ist, wird von der EU die Möglichkeit der Assoziierung eingeräumt (Artikel 217 AEUV). Davon betroffen sind in erster Linie ehemalige Kolonialgebiete der Mitgliedstaaten (AKP-Staaten). In der Regel sehen die Assoziierungsabkommen (z. B. die Lomé-Abkommen, die Abkommen mit Israel und den Maghrebstaaten) die Anwendung der gleichen Bedingungen vor, die in der Zollunion Gültigkeit besitzen. Eine besondere Assoziierungsmöglichkeit besteht für die überseeischen Länder und Hoheitsgebiete bestimmter Mitgliedstaaten (Artikel 198–204 AEUV). Zur Vermeidung von Benachteiligungen für die assoziierten Staaten werden ihnen jedoch Ausnahmebestimmungen über die Beibehaltung von Einfuhrzöllen zugebilligt. Zur Finanzierung sozialer Einrichtungen und zur Förderung der Investitionstätigkeit in den assoziierten Ländern wurde der Europäische Entwicklungsfonds (EEF) eingerichtet.
Justiz und Inneres
Gemäß Artikel 3, 2 EUV bietet die Union »einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne Binnengrenzen, in dem – in Verbindung mit geeigneten Maßnahmen in Bezug auf die Kontrollen an den Außengrenzen, das Asyl, die Einwanderung sowie die Verhütung und Bekämpfung der Kriminalität – der freie Personenverkehr gewährleistet ist«. Vor allem um die erforderlichen Maßnahmen in den genannten Bereichen zu koordinieren, haben die Mitgliedstaaten im Vertrag von Maastricht ihre Kooperation um die Tätigkeitsfelder Justiz und Inneres ergänzt. Diese bildeten die dritte Säule der Union. Die Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres (ZJI) umfasst die Polizeiliche und Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS), die Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen (JZZ) sowie die Harmonisierung der Asyl-, Flüchtlings-, Zuwanderungs- und Visapolitik (sog. flankierende Maßnahmen zum freien Personenverkehr). Die Beschlussfassung unterlag zunächst dem Prinzip der Intergouvernementalität, d. h. Beschlüsse konnten nur einstimmig vom Rat gefasst werden. Im Vertrag von Amsterdam wurde dieser Bereich unter dem Begriff »Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts« (RSFR) zusammengefasst sowie die JZZ und die flankierenden Maßnahmen zum freien Personenverkehr in Gemeinschaftsrecht überführt. In der dritten Säule verblieb lediglich die PJZS, zu deren Aufgaben der Kampf gegen Drogenkriminalität, die Bekämpfung des organisierten Verbrechens, des Terrorismus und Menschenhandels sowie der Ausbau von Europol gehören. Mit dem Vertrag von Lissabon wurde diese Säule aufgelöst und für den gesamten RSFR ein einheitlicher Rechtsrahmen geschaffen. Die Bestimmungen dazu finden sich im Wesentlichen in den Artikeln 67–89 AEUV. Entscheidungen über die Innen- und Justizpolitik der Union werden somit grundsätzlich nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, das Mehrheitsentscheidungen im Rat und die Mitentscheidung des Europäischen Parlaments vorsieht, getroffen. Ausnahmen bestehen in Bereichen, die in hohem Maße die Souveränität der Mitgliedstaaten tangieren, fort. Die Beschlussfassung z. B. über Maßnahmen zur operativen Zusammenarbeit der mitgliedstaatlichen Strafverfolgungsbehörden, über die Festlegung der Bedingungen, unter denen die Strafverfolgungsbehörden eines Mitgliedstaats auf dem Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten tätig werden dürfen, und über die Einrichtung und Festlegung der Kompetenzen einer Europäischen Staatsanwaltschaft erfordert nach wie vor ein einstimmiges Votum des Rats und setzt nur die Anhörung des Parlaments voraus. Dänemark, Großbritannien und Irland sind aufgrund von Zusatzprotokollen an der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres nur begrenzt beteiligt.
Außen- und Sicherheitspolitik
Der Maastrichter Vertrag begründete in der Nachfolge der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) eine GASP als zweite Säule der EU mit dem Ziel, in Form einer engen Zusammenarbeit auf intergouvernementaler Ebene die Außen- und Sicherheitspolitik der Mitgliedstaaten zu koordinieren und gemeinsame Aktionen in den Bereichen durchzuführen, in denen kollektive Interessen bestehen. Danach umfasst die Zusammenarbeit im Bereich Außenpolitik im Wesentlichen die Festlegung gemeinsamer Standpunkte durch den Rat sowie die Koordinierung des Handelns im Rahmen internationaler Organisationen und Konferenzen (hier treten die Mitgliedstaaten bereits seit den 1970er-Jahren [KSZE] häufig gemeinsam auf). Zur Krisen- und Konfliktverhütung bzw. -bewältigung wurden im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) entsprechende zivile und militärische Strukturen geschaffen. 1999 wurde das Amt des »Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union« eingerichtet. Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon wurde die GASP und mit ihr die ESVP, die jetzt unter der Bezeichnung »Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik« (GSVP) firmiert, zwar in den einheitlichen Rechtsrahmen der EU überführt (im Wesentlichen Artikel 21–47 EUV), das Prinzip der Intergouvernementalität aber beibehalten. Das heißt, dass die Mitgliedstaaten im Rat meist weiterhin einstimmig entscheiden und Mitwirkungsrechte von Kommission und Parlament begrenzt bleiben bzw. nicht vorgesehen sind. Neu eingerichtet wurde das Amt des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, der u. a. den Vorsitz der neu geschaffenen Ratsformation »Auswärtige Angelegenheiten« innehat und die Union gemeinsam mit dem Präsidenten des Europäischen Rats nach außen vertritt. Ein eigens einzurichtender Auswärtiger Dienst soll ihn bei der Erfüllung seines Auftrags unterstützen (Artikel 27 EUV). Der Aufgabenbereich der GSPV ist erweitert worden: Neben humanitären Aufgaben, stabilisierenden Maßnahmen und Frieden schaffenden Kampfeinsätzen sind nunmehr gemeinsame Abrüstungsmaßnahmen sowie militärische Beratung und Unterstützung vorgesehen. Zudem wurde als indirektes Missionsziel die Bekämpfung des Terrorismus eingeführt (Artikel 43 EUV).
2012 wurde die EU für ihren Beitrag für die friedliche Entwicklung in Europa mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Zukunft der Europäischen Union
Literatur
M.-H. Rülling u. K. Ioannou-Naoum-Wokoun, Die Europäische Union. Geschichte, Institutionen, Recht, Politiken (2010) P. Becker, Die deutsche Europapolitik u. die Osterweiterung der Europäischen Union (2011) P. J. J. Welfens, Die Zukunft des Euro. Die europäische Staatsschuldenkrise u. ihre Überwindung (2012) M. Große Hüttmann u. H.-G. Wehling (Hrsg.), Das Europalexikon. Begriffe. Namen. Institutionen (22013) J. Holtmann, Europarecht (102013) D. Dialer, A. Maurer u. M. Richter, Handbuch zum Europäischen Parlament (2015) W. Weidenfeld, Die Europäische Union (42015) R. Bieber u. a, Die Europäische Union. Europarecht u. Politik (122016) P. Häberle u. M. Kotzur, Europäische Verfassungslehre (82016)