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Entdeckungsgeschichte, die Geschichte der Auffindung und Erschließung von (häufig schon besiedelten) Gebieten der Erde, die den Entdeckern zuvor unbekannt waren. Ins Zentrum der historischen Betrachtung rückten v. a. die Entdeckungsreisen der Europäer seit dem Beginn der Neuzeit (Zeitalter der großen Entdeckungen) mit ihren weitreichenden wirtschaftlichen und politischen Folgen (u. a. Entstehung der Kolonialreiche); sie trugen entscheidend dazu bei, dass der weitaus größte Teil der Erdoberfläche heute bekannt und erforscht ist. Auf diese Weise entstand allerdings eine überwiegend eurozentrische Betrachtung der Entdeckungsgeschichte. Bemerkenswerte Erkundungs- beziehungsweise seefahrerische Leistungen wurden jedoch auch von nicht europäischen Reichen und Völkern erbracht (z. B. die sieben Schiffsexpeditionen des chinesischen Admirals Zheng He 1405–33, der für die Ming-Dynastie den Seeweg über den Indischen Ozean nach Ostafrika erschloss).

Die bereits im Altertum einsetzende Erkundung fremder Gebiete erfolgte zunächst insbesondere im Zusammenhang mit Kriegszügen und der Ausdehnung des Handels, später kamen die überseeische Expansion der europäischen Seefahrernationen, Abenteurertum (z. B. Suche der Konquistadoren nach dem legendären Eldorado), Missionierung und zunehmend auch wissenschaftlicher Forscherdrang als wesentliche Motive hinzu.

Die älteste schriftlich überlieferte Entdeckungsreise ist die von der ägyptischen Königin Hatschepsut veranlasste Expedition nach Punt Anfang des 15. Jahrhunderts v. Chr. Dem griechischen und römischen Kulturkreis waren außer dem Mittelmeergebiet auch die Küsten des Schwarzen Meeres gut bekannt. Die wichtigsten Entdeckungsreisen galten Afrika und Vorderasien (Herodot, 5. Jahrhundert v. Chr.); der Alexanderzug (334–323 v. Chr.) führte bis zur Schwelle Indiens (327–325 v. Chr.). Durch die Reisen des Pytheas aus Massalia (etwa 330 v. Chr.) wurde Genaueres über West- und Nordeuropa berichtet. Einzelne Reisen führten weit in unbekannte Länder oder Meere, ohne jedoch das geografische Bewusstsein zu erweitern, so die Umsegelung Afrikas durch Phöniker Anfang des 6. Jahrhunderts v. Chr. Die größte Ausdehnung des Römischen Reiches unter Trajan (98–117) ermöglichte bereits ein Denken in dem weiten Raum von England bis Mesopotamien.

Die Wikinger wagten sich seit dem 8. Jahrhundert auf das offene Meer. Über die Färöer erreichten sie das allerdings schon früher von iroschottischen Mönchen besiedelte Island (um 860) und Grönland (982); von hier aus entdeckte Leif Eriksson die Nordostküste Nordamerikas bis etwa 49° nördlicher Breite; eine Besiedlung um 1000 (L'Anse aux Meadows) war nicht von Dauer. Diese Kenntnis Amerikas ging jedoch wieder verloren. – Die Araber übernahmen das Erbe der griechischen Geografie, kannten über ihren eigenen Kulturkreis hinaus das angrenzende Asien und das Hinterland Nordafrikas. Sie querten die Sahara, gelangten bis in die Sudanzone und besaßen im Mittelalter weit bessere Kenntnisse von Afrika, Vorder- und Südasien als die Europäer. Der Marokkaner Ibn Battuta war der bedeutendste Landreisende seiner Zeit; er lernte auf seinen Reisen (1325–53) z. B. Nordafrika bis Timbuktu und zum Nilgebiet, Vorderasien, Indien, den Malaiischen Archipel und China kennen. – Die Kenntnis von Asien erweiterten die zu den Mongolenherrschern gesandten päpstlichen Boten G. del Carpini (1246) und W. von Rubruk (1254) sowie v. a. Marco Polo, der 1271–95 Persien, Zentralasien, China und Indien bereiste und den Pazifischen Ozean entdeckte. Aus seiner Reisebeschreibung ergab sich die Kenntnis, dass Ost- und Südasien meerumschlossen sind.

Von Heinrich dem Seefahrer angeregt, unternahmen Portugiesen (seit 1418) Entdeckungsfahrten, zunächst entlang der Westküste Afrikas (Kanarische Inseln 1336, Madeira 1418/19, Azoren 1429), besonders nachdem die Türken 1453 durch die Einnahme Konstantinopels den Zugang nach Indien gesperrt hatten. Die Suche der Spanier nach einem Seeweg nach Indien führte zur weltgeschichtlich folgenreichen Entdeckung Amerikas durch Kolumbus (1492); weite Gebiete der Neuen Welt wurden Europa jetzt bekannt (seit 1498 Südamerika, seit 1502 Zentralamerika). Spanien und Portugal beanspruchten als die führenden Nationen der Zeit die Beherrschung der von ihnen entdeckten Räume. Im Vertrag von Tordesillas (1494) vereinbarten sie eine Grenzlinie bei 49° westlicher Länge; nach der zweiten Entdeckung des Pazifischen Ozeans durch V. Núñez de Balboa (1513) teilten sie im Vertrag von Saragossa (1529) auch die östliche Erdhälfte durch eine bei 132° östlicher Länge verlaufende Linie unter sich auf. Bereits 1487/88 umsegelte B. Diaz die Südspitze Afrikas; weiter stieß 1497/98 Vasco da Gama vor und fand den Seeweg nach Indien. Dieser Leitlinie folgend, wurden Malakka (1508), die Molukken (1512), Südchina (Kanton 1517), Neuguinea (1526) und zuletzt Japan (1542) erreicht. 1519–22 bewies die von F. Magalhães begonnene 1. Weltumsegelung die Kugelgestalt der Erde. Der Vorherrschaft der iberischen Nationen widersetzten sich Franzosen, Holländer und Engländer. In englischem Auftrag wurde (seit 1553) nach der Nordostpassage (S. Caboto) und (seit 1576) nach der Nordwestpassage gesucht; damit begann die Erforschung des Kanadisch-Arktischen Archipels (J. Davis, W. Barents u. a.). F. Drake gelang 1577–80 die 2. Weltumsegelung. – So ergab sich am Ende dieses Zeitalters eine beispiellose Ausweitung des geografischen Wissens, die sich in den Kosmografien der Zeit nur teilweise spiegelte. Süd- und Mittelamerika waren in ihren Küstengebieten und besiedelbaren Hochländern wesentlich besser bekannt als Nordamerika, das seit der Entdeckung Neufundlands (G. und S. Caboto, 1497) und Floridas (J. Ponce de León, 1513) erforscht wurde.

Engländer (1600) und Holländer (1602) gründeten Handelskompanien und legten in Indien und im Malaiischen Archipel die Grundlage für ihre Kolonialreiche. 1606 entdeckte W. Jansz. die Nordwestküste Australiens, 1642–44 A. J. Tasman die später nach ihm benannte Insel. – Kosaken erreichten 1639 durch Sibirien das Ochotskische Meer. Christliche Missionare kamen nach China und gelangten von Indien aus nach Tibet. E. Kaempfer schuf nach Reisen in Japan (1690–92) das für Europa maßgebende Bild dieses Landes, das erst von P. F. von Siebold und J. J. Rein im 19. Jahrhundert übertroffen werden konnte. – Im Norden der Neuen Welt entdeckten Franzosen die Großen Seen (S. de Champlain, 1615). S. I. Deschnjow umfuhr 1648 das Nordostkap Asiens. Neben Handelsinteressen, Abenteuerlust oder Missionseifer wurde zunehmend wissenschaftliches Interesse zur Grundlage weiterer Erforschung, z. B. die von V. J. Bering geleitete »Große Nordische Expedition« (1733–43), die Reisen C. Niebuhrs (1761–67) und die von A. von Humboldt (1799–1804). Auch die drei Weltumsegelungen von J. Cook (1768–71, 1772–75 mit J. R. und G. Forster, 1776–79), dem letzten großen maritimen Entdecker, bedeuteten neben der seefahrerischen eine wissenschaftliche Leistung. – Europa wandte sich nach der Gründung der »African Association« (1788) v. a. der Erforschung Afrikas zu. M. Park (1795 ff.) suchte den Nigerlauf zu klären, F. K. Hornemann gelang als erstem Europäer die Durchquerung der Sahara (1797–1801).

Mit der Umsegelung der Antarktis 1819–21 (durch F. G. von Bellingshausen) begann deren Erforschung; der Südpol wurde 1911 von R. Amundsen erreicht. Die Erforschung der Arktis blieb zum Teil mit der Suche nach der Nordostpassage (A. E. von Nordenskiöld, 1878/79) und der Nordwestpassage (Amundsen, 1903–06) verbunden; in die Nähe des Nordpols gelangte R. E. Peary (1908/09). Die erste Überfliegung des Nordpols im Luftschiff gelang 1926 Amundsen und U. Nobile, die des Südpols R. E. Byrd, der mit seinen vier Antarktisexpeditionen zwischen 1928 und 1947 die wesentlichen Entdeckungen machte. Die erste Antarktisquerung auf dem Landweg gelang erst V. E. Fuchs 1957/58. – Die Entdeckung des Innern Afrikas entsprach v. a. der Klärung des Laufs der großen Ströme (besonders Niger, Nil und Kongo), von denen man nur die Unterläufe kannte. Nach bahnbrechenden Forschungen, v. a. von D. Livingstone (1849 ff.), H. Barth (1850–55) und H. M. Stanley (1871 ff.), wurde Afrika weitgehend erschlossen und kolonial aufgeteilt. – Die abgelegenen Gebiete Zentralasiens wurden vom letzten großen Landreisenden S. Hedin erforscht (1894 ff.). Schwer begehbare Gebiete, die in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts nur annähernd bekannt und kartografisch erfasst waren, konnten inzwischen durch die Fernerkundung mit Satelliten umfassend aufgenommen werden. 1995 gelang einer britisch-französischen Expedition die Entdeckung der Quelle des Mekong im Hochland von Tibet (auf der Höhe des Ru-sa-Passes).

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