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Die Germanologie (bed. Lehre von den Germanen oder Wissenschaft von den Germanen; einf. Bez. Germanische Altertumskunde oder Germanische Altertumswissenschaft für Germanenforschung; Abk. Germ.) ist ein nichtakademisches und doch interdisziplinäres Fachgebiet, das sich mit der gesamten Wissenschaft und Forschung über die alten Germanen, angefangen von der frühen Bronzezeit (5. bis 3. Jahrtausend v. Chr.) über die Antike (1. Jahrtausend v. Chr.) bis hin zum frühen Mittelalter (1. Jahrtausend n. Chr.), beschäftigt. Es unterscheidet sich von der Germanistik, die sich primär mit der deutschen Sprache und Literatur befasst. Die Germanologie als Disziplin umfasst verschiedene wissenschaftliche Aspekte, darunter Archäologie, Geschichte, Sprache, Kultur, Mythologie, Religion und der germanischen Völker.


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Deutsche Literatur, frühes Mittelalter (750–1170). Die ältesten Sprachdenkmäler stammen aus dem 8. Jahrhundert und stehen zumeist im Dienst der christlichen Lehre; sie wurden von den Klöstern bewahrt; es sind Glossen, Glossare, Interlinearversionen und übersetzte geistliche Texte, ferner Grundformeln des Glaubens (Vaterunser, Taufgelöbnis, Glaubensbekenntnis, Beichtformel, Benediktinerregel) in der jeweils mundartlich gefärbten althochdeutschen „Volkssprache“. Von der vorausgegangenen schriftlosen germanischen Dichtung hat sich außer zwei Merseburger Zaubersprüchen nur das im 9. Jahrhundert nebenbei aufgezeichnete Hildebrandslied erhalten. Im 10. Jahrhundert blieb die althochdeutsche Literatur ohne Nachwirkung, denn in der ottonischen Zeit herrschte Latein als Literatursprache vor. – In der frühmittelhochdeutschen vorhöfischen Zeit (etwa 1060-1170) war die Literatur zunächst von der Weltabkehr der seelsorgerischen cluniazensischen Bewegung bestimmt. Die Mariendichtung begann. Aus Frankreich kamen die ersten ritterlichen Stoffe (Rolandslied, Alexanderroman), es entstanden in Siegburg das zeitgeschichtliche Annolied, in Bayern die gereimte Kaiserchronik, zu Limburg und Regensburg weltliche Epen (Eilhart von Oberge: „Tristant und Isalde“; Trierer Floyris), im Elsass erneuerte sich die Tiersatire (Heinrich der Glichesaere); am Braunschweiger Hof entstand das erste enzyklopädische Lehrbuch (Lucidarius).

Hoch- und Spätmittelalter (1170–1500). Die Literatur des Mittelalters ist geschrieben im Latein der Kirche und der Gelehrten (z. B. die Liedsammlung Carmina burana) oder im Mittelhochdeutschen der ritterlichen Dichter; es sind Geistlichendichtung, höfische Ritterdichtung und Heldendichtung zu unterscheiden, von der Gattung her besonders Lyrik nebst Spruchdichtung und Versepik. Die mittelalterliche Lyrik wurde gesungen. In der Regel war der Dichter zugleich der Komponist. Leider ist von den Melodien (Weisen) nur wenig überliefert.

Im Minnesang wurde diese Lyrik zur höfischen Standeskunst; neben dem erotischen Minnelied gab es den Spruch, der vorwiegend Lebensweisheit, Sittenlehre, Religiöses ausdrückte. In beiden Arten wurde Walther von der Vogelweide Meister: Dem Minnesang verlieh er einen persönlichen Erlebnisgehalt, und der Spruch wurde ihm bei seinem Eintreten für die Kaiseridee zur politischen Waffe. Als letzte Minnesänger gelten der gelehrte Hugo von Montfort und Oswald von Wolkenstein.

Auch das höfische Epos, der ritterliche Versroman, war von französischen Vorbildern bestimmt. Den Höhepunkt bilden Hartmann von Aue, Wolfgang von Eschenbach und Gottfried von Straßburg. Ebenfalls um 1200 erreichte das Heldenepos (Nibelungenlied, etwas später Kudrun) seinen Gipfel. Seit dem 14. Jahrhundert wurden sie in immer schlechteren Handschriften überliefert und schließlich in „Heldenbüchern“ gesammelt. – Charakteristisch für das späte MA ist eine Erweiterung der Textform (politische Dichtung, Gelegenheitsdichtung, Schwank u.  a.), besonders aber die große Bedeutung didaktischer Literatur, die allegorisch belehrende und satirische Lehrgedichte umfasste (Wernher der Gartenaere „Meier Helmbrecht“, H. Wittenwiler „Der Ring“). Weithin beliebt waren gereimte Schwänke in bekannter Motivtradition; diese wurden gern einer bestimmten Person zugeschrieben, so dem „Pfaffen Amis“ von dem Stricker (um 1230), dem „Pfarrer vom Kalenberg“ von P. Frankfurter (um 1450), dem „Neidhart Fuchs“ und schließlich dem Eulenspiegel (um 1500) oder den Schildbürgern (1598). Die „Historia von D. Johann Fausten“ ist eines der bekanntesten Volksbücher.

Humanismus und Reformation (bis 1600). Im 15. und 16. Jahrhundert blühte die bürgerliche Kultur der Städte. Der Buchdruck kam auf und förderte auch das Entstehen einer neuhochdeutschen Schriftsprache; mitwirkend waren die beiden großen Zeitmächte: der Humanismus mit seinem die Grammatik schulenden Vorbild des „klassischen“ Lateins und die Reformation mit M. Luthers volksnah lebendiger, ostmitteldeutscher Bibelübersetzung. Der Humanismus, der dem mehr diesseitigen Lebensgefühl der Renaissance entsprach, war schon im 14. Jahrhundert aus Italien vorgedrungen, zunächst nach Böhmen, wo 1348 in Prag die erste deutsche Universität gegründet worden war. Es entstanden Dramen nach antikem Muster, Streitschriften, Satiren (Dunkelmännerbriefe) und wissenschaftliche Abhandlungen. Führende Humanisten waren J. Agricola, H. Bebel, K. Celtis, Crotus Rubeanus, Erasmus von Rotterdam, Lotichius, W. Pirckheimer, J. Reuchlin. Insgesamt entstand eine reiche europäische Bildungsliteratur, die manchmal von leidenschaftlicher nationaler Gesinnung (U. von Hutten) erfüllt war. Das religiöse Schrifttum der Reformation war hingegen meist im „gemeinen Deutsch“ verfasst; es stellte außer der theologischen Streitschrift vor allem die Satire (T. Murner, J. Fischart), aber auch die Fabel (M. Luther, E. Alberus) in den Dienst des Glaubenskampfs. Als Gemeindegesang begründete M. Luther das evangelische Kirchenlied. - Die damalige Dichtung ist bürgerlich moralisch und didaktisch oder schwankhaft-derb. Ihr erfolgreichstes Werk war das „Narrenschiff“ des Straßburgers S. Brant, das die Literatur des Grobianismus einleitete. Äußerst produktive Meistersinger und Stückeschreiber waren H. Sachs, J. Wickram, dessen „Rollwagenbüchlein“ weithin nachgeahmt wurde, und der manieristische virtuose J. Fischart, der in seiner „Geschichtsklitterung“ den „Gargantua“ des F. Rabelais freizügig übertrug. Auch sonst drangen Einflüsse aus dem Westen ein. Ein Lieblingsbuch der Zeit war der französisch-spanische Amadis-Roman.

Das Barock (17. Jahrhundert) ist reich an Gegensätzen. Literarisch unterscheidet man eine höfisch-repräsentative und eine volkstümlich-realistische Richtung. Hemmungslose Hingabe an die Welt und schroffe Abkehr von ihr in Angst und Todesgrauen standen einander gegenüber. Im Süden und Südosten war der Bereich der Jesuitenbühnen und des prunkvoll repräsentativen Barocktheaters; im protestantischen Norden aber wurden die Sprachgesellschaften gegründet. Wegbereiter war M. Opitz, dessen „Buch von der Deutschen Poeterey“ (1624) die Gesetze und Eigenwerte einer sprachreinen deutschen Dichtung herausarbeitete.

Die Lyrik des 17. Jahrhunderts war fast durchweg Gesellschaftsdichtung, also nicht individuell erlebt; man bevorzugte allgemeine Themen wie Vergänglichkeit, Freundschaft, Ruhm, Sehnsucht nach Frieden und Ruhe; im „letzten Schlesier“, in J. C. Günther, beginnt dann schon die Wendung zur ganz persönlichen Erlebnislyrik. Hauptvertreter des Barockdramas sind die Jesuitendramen im Süden (J. Bidermann, S. Rettenbacher) mit ihrem gegenreformatorischen Bekehrungswillen und ihrer Augenlust an Bühnenbild und Massenauftritt sowie die schlesischen Tragödien und Komödien (A. Gryphius, D. C. von Lohenstein) in ihrem christlichen Stoizismus; beide Formen kommen vom humanistischen Schultheater und dessen Vorbild Seneca her undhäufen die theatralischen Mittel. Eigentlicher Höhepunkt des Barocktheaters wurde aber die Oper (1. deutsche Oper „Dafne“ von M. Opitz und H. Schütz, 1627 in Torgau aufgeführt, verloren gegangen), auch das Festspiel zu dynastischen oder politischen Feiern (J. Rist), wie sie zumal an den Höfen des Südens mit glänzendem Aufwand dargeboten wurden. Bürgerlich aufgeklärter waren dann schon die vielen Schulstücke des Zittauer Rektors C. Weise und die realistischen derben Lustspiele von C. Reuter. - Von den Erzählern der Barockzeit wurde im höfischen Bereich zunächst der in Italien und Frankreich gepflegte Schäferroman übersetzt, nachgeahmt und fortentwickelt (P. von Zesen). Dann folgten heroisch galante Staatsromane (Anton Ulrich von Braunschweig, Andreas Heinrich Buchholtz, D. C. von Lohenstein, H. A. von Zigler und Kliphausen: „Asiatische Banise“), die sich zu enzyklopädischen Kompendien der Weltbildung entfalteten. Für den volkstümlichen Roman bot die stärkste Anregung der spanische Schelmenroman, dessen Held als ein listenreicher Tunichtgut, als „Picaro“, durch die Welt schweift. H. J. C. von Grimmelshausen nahm in seinem „Simplicissimus“ (1669) diese Textform zum Vorbild; er schuf damit den ersten großen Zeitroman, der nicht nur die rohe Wirklichkeit des 30-jährigen Krieges spiegelt, sondern auch Autobiografie, Utopie, Robinsonade und Morallesebuch in einem ist. Ein späterer Abenteuerroman von Rang, worin zeitkritische Utopie mit der von D. Defoe angeregten Robinsonade vereint ist, ist J. G. Schnabels „Insel Felsenburg“. C. Reuter schrieb mit dem „Schelmuffsky“ (1696) eine Parodie auf die beliebte Gattung der Reiseromane.

Die Aufklärung (frühes 18. Jahrhundert) war im Gegensatz zum Barock betont bürgerlich, ja optimistisch weltbürgerlich eingestellt; man erstrebte Toleranz, Befreiung von Vorurteilen, rückte autonome Vernunft in die Mitte aller Bemühungen und suchte eine natürliche Religion an die Stelle der übernatürlichen zu setzen. In der Literatur war zunächst der Leipziger Professor J. C. Gottsched ihr Wortführer; er bekämpfte im Namen klassizistischer Regeln das Pathos und den Schwulst des Spätbarocks, fasste die grammatischen Grundregeln der deutschen Sprache zusammen und gab nach englischem Vorbild auch „moralische Wochenschriften“ heraus. Anderswo setzte eine „Rückkehr zur Natur“ ein (B. H. Brockes, A. von Haller), sie mischte sich oft mit Einflüssen des französischen Hofes wie in „arkadischen“ Schäferpoesien und Naturidyllen (E. C. von Kleist, S. Geßner), in den geselligen Liedern der Anakreontiker (F. von Hagedorn, J. W. L. Gleim, J. P. Uz), in vielen Fabeln und Verserzählungen (C. F. Gellert) und wohl am kunstvollsten in der heiter-ironischen Lebens- und Erzählkunst C. M. Wielands. Mit F. G. Klopstock kam die gefühlsbetonende Empfindsame Dichtung, von der Erweckungsbewegung des Pietismus angeregt, zum Durchbruch und fand besonders Pflege im schwärmerischen Freundschaftsbund des „Göttinger Hain“, dessen Lyrik in dem „Göttinger Musenalmanach“ (1770 ff.) ihr Organ hatte. G. E. Lessing versuchte mit seinen theaterkritischen Beiträgen in der Hamburgischen Dramaturgie (1767-1769) die Vormachtstellung der französischen Klassiker zu durchbrechen, indem er auf Shakespeare sowie auf spanische Autoren hinwies. Mit „Minna von Barnhelm“, „Emilia Galotti“ und „Nathan der Weise“ führte er das bürgerliche Trauerspiel ein und begann damit die Reihe der klassischen deutschen Dramen. Die Goethezeit (1770–1830) brachte die deutsche Literatur, Philosophie und Musik zur Weltgeltung; man nennt diese Blütezeit meist nach Goethe, weil er ihre wichtigsten Phasen mitgestaltet hat. Anfangs noch ein empfindsamer Anakreontiker des Rokokos, wurde Goethe bald zu einem jener „Kraftkerls“ der Genieperiode des Sturm und Drang (W. Heinse, F. M. Klinger, J. A. Leisewitz, J. M. R. Lenz), die sich für unverdorbene Natur und intuitives Fühlen und gegen die Vernunftregeln der Aufklärung sowie gegen die sozialen Konventionen und Missstände auflehnten. Beim Durchbruch irrationaler Kräfte wirkten am nachhaltigsten J. G. Hamann und J. G. Herder. Dieser führte den jungen Goethe zu den Anfangsgründen der Sprache und der Poesie und zu Shakespeare. So entstanden der „Urfaust“, der „Götz“, die Frankfurter und Sesenheimer Lyrik und der empfindsam leidenschaftliche „Werther“, der ihn überraschend schnell berühmt machte. - Goethes Weg zur Klassik begann in Weimar (seit 1775) und setzte sich in Italien fort (1786-1788), wo er im Geist J. J. Winckelmanns die Antike erlebte. Im Gedicht, im Drama („Tasso“, „Iphigenie“) und im Bildungsroman gestaltete er das Konzept einer „reinen Menschlichkeit“. Dieses Streben führte zum Freundschaftsbund mit Schiller. Nach revolutionär freiheitlichen Dramen („Die Räuber“, „Kabale und Liebe“) hatte Schiller sich zum Dichter einer weltgeschichtlichen Tragödie („Don Carlos“) und umfassender Gedankenlyrik entwickelt. Im „klassischen“ Jahrzehnt (1794-1805) entstanden Schillers späte Dramen vom „Wallenstein“ bis zum „Wilhelm Tell“, Goethes „Wilhelm Meisters Lehrjahre“, „Hermann und Dorothea“ und „Die natürliche Tochter“. Zur gleichen Zeit suchten die Romantiker ein neues Verhältnis zu Volk, Staat, Geschichte, besonders zum Mittelalter und zu den fremden Literaturen. In Jena sammelte sich ein Kreis der Frühromantik um die Brüder A. W. und F. Schlegel, um Novalis, L. Tieck, F. W. J. von Schelling und dessen spätere Frau Karoline. Die Brüder Schlegel stellten Schillers Zeitschrift „Die Horen“ ihr „Athenäum“ gegenüber, worin sie eine geistvolle Literatur- und Zeitkritik übten und eine romantische „progressive Universalpoesie“ verkündeten. Novalis prägte im „Heinrich von Ofterdingen“ das romantische Sehnsuchtssymbol der „blauen Blume“; L. Tieck schrieb den Künstlerroman „Franz Sternbalds Wanderungen“, Märchendramen und Literaturkomödien. In jener geistig reichen Zeit gab es auch eine Reihe von bedeutenden Einzelgängern: Jean Paul, der als Verfasser bilderreicher Prosa ein Erfolgsautor seiner Zeit war. In seinen Werken voll philosophischer Ideen, bizarrer Handlungen und genialisch-wundersamer Gestalten vereinigte er die mitfühlende Darstellung des Menschen und der Natur mit der Satire, die auch vor der Formulierung nihilistischer Gedankengänge nicht zurückschreckt. F. Hölderlin, der tief religiöse Lyriker, der im Briefroman „Hyperion“, im Dramenfragment „Empedokles“ und besonders in Oden, Elegien und Hymnen vom Erlebnis eines idealen Griechenland und der göttlichen Mächte des Daseins Zeugnis gibt; H. von Kleist, der Dramatiker und Novellist, der die Verwirrungen der Gefühle in einer trügerischen Wirklichkeit und die Konflikte zwischen dem ungebändigten Ich und dem Gesetz der Gemeinschaft gestaltete. Bekannt wurden das aus der Verbundenheit mit seiner alemannischen Heimat geschaffene Werk des Mundartdichters J. P. Hebel und dessen Kalendergeschichten aus dem „Rheinischen Hausfreund“, ähnlich wie zuvor die Gedichte und Geschichten von M. Claudius aus dessen „Wandsbecker Boten“.

Die Dichter der Spätromantik wirkten um 1808 in Heidelberg; dort gaben A. von Arnim und C. Brentano die Volksliedersammlung „Des Knaben Wunderhorn“ heraus. Die Lyrik dieser Epoche ist durch Gefühlsüberschwang und Sehnsuchtsstimmung gekennzeichnet. In der Prosa beleben die Autoren volkstümliche Textformen wie Märchen, Volksbuch oder Sage und verwischen bewusst die Gattungsgrenzen (A. von Arnims „Der tolle Invalide“ und „Die Kronenwächter“, C. Brentanos „Geschichte vom braven Kasperl und schönen Annerl“, J. von Eichendorffs „Aus dem Leben eines Taugenichts“, L. Tiecks „Phantasus“). Auch Berlin wurde zum Sammelpunkt romantischen Geistes; dort eröffneten R. Varnhagen (R. Levin), H. Herz, auch B. von Arnim ihre literarischen Salons, und es trafen sich in der „Mittwochsgesellschaft“ F. de la Motte Fouqué und A. von Chamisso mit E. T. A. Hoffmann, dem „Gespensterhoffmann“ vieler Fantasie- und Nachtstücke. In Tübingen entstand (u. a. L. Uhland, L. Kerner, G. Schwab) eine der Heimat und der deutschen Geschichte verbundene Schwäbische Romantik, die noch bei W. Hauff und E. Mörike fortwirkte.

Im 19. Jahrhundert suchten die konservativ Gesinnten das Erbe der Goethezeit (Goethes Spätwerk, u. a. „Faust II“, wurde als unerreichbares Ideal angesehen) fortzuführen. In Reaktion auf die politischen Verhältnisse suchten sie den Rückzug ins Private und pflegten die Innerlichkeit sowie die formale Schönheit. Dieser Rückzug ins Bürgerliche wurde als Biedermeier bezeichnet und man ordnete dieser Stömung sehr verschiedene Dichter zu: F. Grillparzer, A. Stifter, die Vertreter des Wiener Volkstheaters F. Raimund und J. N. Nestroy, A. von Droste-Hülshoff und E. Mörike, ferner Formtalente wie F. Rückert, A. von Platen, J. Geibel und den späteren Münchener Dichterkreis. Die revolutionär gesinnten Autoren hingegen, so die Gruppe Junges Deutschland (H. Heine, F. Börne, K. Gutzkow, H. Laube, T. Mundt, L. Wienbarg) und politische Lyriker wie H. Herwegh, F. Freiligrath verknüpften mit ihrer Literatur einen politischen Anspruch, der die von ihnen kritisierte geistige und politische Stagnation durchbrechen und eine freie, demokratische Gesellschaftsordnung herbeiführen sollte. Dieser Kreis wurde Wegbereiter eines zeitkritischen Journalismus; federführend hierbei war H. Heine, der u. a. mit seinen „Reisebildern“ eine neue Form des subjektiv-assoziativen Erzählens begründete; zugleich entwickelten sich der gesellschaftskritische Zeitroman und das polemische Zeitstück. Ein wichtiger Vertreter der revolutionären Dramatik ist G. Büchner, in dessen Stücken die Desillusion sowie das Infragestellen von gesellschaftlichen Werten und bürgerlicher Moral vorherrscht („Woyzeck“, „Dantons Tod“). Insgesamt setzte sich im 19. Jahrhundert ein Realismus durch, der mit dem Vordringen naturwissenschaftlicher Weltbetrachtung Hand in Hand ging. In der Prosaepik wurde literarisch Bedeutendes auf dem Gebiet der Erzählung, vor allem der Schicksals- und Charakternovelle geschaffen (G. Büchners „Lenz“, J. Gotthelfs „Schwarze Spinne“, F. Grillparzers „Armer Spielmann“, G. Kellers „Leute von Seldwyla“, „Sinngedicht“ und „Züricher Novellen“, O. Ludwigs „Heiterethei“, C. F. Meyers historische Novellen wie „Der Heilige“, E. Mörikes „Mozart auf der Reise nach Prag“, W. Raabes „Stopfkuchen“, A. Stifters „Studien“, T. Storms „Aquis submersus“ und „Der Schimmelreiter“). Innerhalb der Romanliteratur schilderte man vergangene Zeiten; zu den bekanntesten dieser historischen Romane gehörten: G. Freytags „Die Ahnen“, W. Hauffs „Lichtenstein“, J. V. von Scheffels „Ekkehard“, A. Stifters „Der Nachsommer“, schließlich auch gelehrte „Professorenromane“ wie F. Dahns „Kampf um Rom“. Erfolgreiche Zeitromane aus der Mitte des Jahrhunderts waren G. Freytags „Soll und Haben“, F. Spielhagens „Problematische Naturen“, G. Kellers „Der Grüne Heinrich“, W. Raabes „Hungerpastor“ sowie T. Fontanes Gesellschaftsromane aus der Welt Berlins und des märkischen Adels („Effi Briest“, „Der Stechlin“). Von wachsender Bedeutung wurden ferner landschaftsverbundene Werke: J. Gotthelf schrieb seine Bauernromane aus dem Berner Land, der Wiener L. Anzengruber verfasste im Anschluss an das dortige Vorstadttheater und in liberaler Gesinnung wirkungsvolle Volksstücke sowie realistische Romane aus bäuerlicher Welt; M. von Ebner-Eschenbach schilderte die mährische Dorfwelt („Das Gemeindekind“), P. Rosegger beschrieb die Alltagswirklichkeit seiner steirische Waldheimat. - Die niederdeutsche Literatur wurde durch K. Groth sowie durch F. Reuter („Ut mine Stromtid“) und J. Brinckman zu neuem Leben erweckt. Als hintergründiger Humorist schuf der niedersächsische Malerdichter W. Busch seine bald Allgemeingut gewordenen Bildergeschichten. - Lyriker von Rang waren T. Fontane (besonders als Balladendichter), G. Keller, C. F. Meyer, T. Storm; E. Mörikes Gedichte sind nicht nur Höhepunkt seines Schaffens, sondern der nachgoetheschen Lyrik überhaupt.

Gegen Ende des Jahrhunderts lenkte der Naturalismus den Blick auf die sich verschärfenden sozialen Gegensätze und besonders auf das proletarische Milieu, das durch wirtschaftliche und technische Wandlungen immer stärker verarmte (M. Kretzers „Meister Timpe“, G. Hauptmanns „Die Weber“). Literarische Wegbereiter waren in München die Zeitschrift „Die Gesellschaft“ (Herausgeber O. Brahm, H. Bahr, H. Holz), die spätere Neue Rundschau. Musterbeispiele eines „konsequenten Naturalismus“ gaben 1889/90 A. Holz und J. Schlaf in ihrer Skizzensammlung „Papa Hamlet“ und in dem Drama „Familie Selicke“. Das wichtigste Stilmittel war ein mimischer Sprech- und Darstellungsstil, der jede momentane Regung, also auch das Triebhafte, Unartikulierte berücksichtigte. Mit der Uraufführung von G. Hauptmanns „Vor Sonnenaufgang“ im Oktober 1889 setzte sich der naturalistische Bühnenstil durch. Von G. Hauptmann erschienen nun Jahr um Jahr neue Werke („Der Biberpelz“ u. a.). Zu gleicher Zeit prägten sich auch andere Stile aus. Mit dem naturalistischen „Sekundenstil“ berührte sich der Impressionismus, der gegen die hässliche Wirklichkeit den sinnlich erfassten Augenblickseindruck und die Stilisierung des Schönen als neues Kunstideal setzte (D. von Liliencron, P. Altenberg, H. von Hofmannsthal und A. Schnitzler). H. von Hofmannsthal war auch Mitarbeiter an den seit 1892 erscheinenden „Blättern für die Kunst“ des geistesaristokratischen Kreises um S. George. Ferner entstanden in jener Zeit Frühwerke von R. Huch, A. Mombert, H. und T. Mann, R. M. Rilke, J. Wassermann. Für die Rechte der vitalen Sinnlichkeit gegenüber bürgerlicher konventioneller Moral kämpften R. Dehmel mit seiner zuweilen dionysisch rauschhaften Lyrik und F. Wedekind mit seinen oft ins Groteske und Satirische gehenden Dramen („Frühlings Erwachen“, „Erdgeist“), die auch schon expressionistische Aspekte aufweisen.

Die „wilhelminischen“ Züge der Jahre zu Beginn des 20. Jahrhunderts spiegeln sich in Werken wie H. Manns „Untertan“, C. Sternheims Komödien „Aus dem bürgerlichen Heldenleben“ oder in C. Zuckmayers „Hauptmann von Köpenick“. Von dem damaligen kulturellen Leben zeugen zahlreiche Verlage mit ausgeprägtem Programm und literarische Zeitschriften von eigenem Gesicht. Auch das Theaterleben war rege, und in den Großstädten kam das literarische Kabarett mit seiner Gebrauchslyrik auf (Berlin: E. von Wolzogens „Überbrettl“, „Schall und Rauch“; München: „Die elf Scharfrichter“). Der Ruf nach einer das ganze Leben erfassenden Stilwende und nach neuer Gemeinschaft verstummte nicht mehr. Der vorwiegend dekorative, besonders mit der Dichtung des Symbolismus verbundene Jugendstil proklamierte eine Wiedervereinigung aller Künste mit dem Leben. In einer Art Ordensbrüderschaft („Der Stern des Bundes“) wollte S. George durch eine dichterisch überhöhte Sprache und ein exklusives künstlerisches Programm eine kulturelle Erneuerung herbeiführen. Dichter kosmogonischer Mythen wie T. Däubler, O. zur Linde, A. Mombert entwarfen Bilderfolgen vom ewigen und vom künftigen Menschen. Im Kreis der Neuklassik (P. Ernst, W. von Scholz) erhoffte man sich eine Erneuerung nationaler Identität von den Idealen der Goethezeit her und in Anknüpfung an das tragische Weltgefühl F. Hebbels und F. Nietzsches. Bei den Neuromantikern (H. Eulenberg, E. Hardt, Ricarda Huch, E. Stucken, K. G. Vollmoeller) suchte man im bürgerlichen Alltag verkümmerte elementare Lebensgefühle zu wecken, feierte Rausch, Traum und Tod. Bei einigen frühen Expressionisten (E. Stadler, F. Werfel) nahm der Wille zu Aufbruch und neuer Weltsicht ekstatische Züge an, andere (J. R. Becher, G. Benn, G. Heym, G. Trakl) entwarfen Bilder abgründigen Schreckens von der Dämonie der Großstadt, von Verfall und Verwesung, die die Krise und das Chaos der modernen Gesellschaft spiegelten. Daneben gewannen vor allem epische Kurzformen wie Novelle, Anekdote oder Parabel neues Leben (P. Ernst,, H. und T. Mann, E. Strauß, A. und S. Zweig, F. Kafka, R. Walser). - Manche Autoren jener Zeit sind schwer einzuordnen, so M. Dauthendey, P. Scheerbart oder C. Morgenstern. Auch formal zeigt das damalige Schaffen eine erstaunliche Spannweite. In der Lyrik entstanden neben den strengen Oden eines R. Borchardt oder R. A. Schröder die verspielten Reime eines O. J. Bierbaum oder die Mittelachsenlyrik („Phantasus“) und das Neubarock („Dafnis“) eines A. Holz. Klang- und Bildwelten von großer Intensität entfalteten S. George, R. M. Rilke, G. Trakl; in Schreigedichten „ballte“ A. Stramm die Worte und zertrümmerte das Satzgefüge. Unter den Dramatikern blieb G. Hauptmann der naturalistischen Form treu („Die Ratten“), weitete aber seine Welt ins Traumhafte und Symbolische („Und Pippa tanzt“). H. von Hofmannsthal führte die österreichisch-spanische Barocktradition fort. E. Lasker-Schüler verwob Naturalistisches mit Visionärem („Die Wupper“); W. Hasenclever brachte im „Sohn“ das Weltgefühl einer gegen erstarrte Autorität aufbegehrenden Jugend zur Sprache. Nicht minder vielgestaltig war das umfangreiche Romanschaffen: L. Frank, G. Hauptmann, H. Hesse, F. Kafka, E. von Keyserling, T. Mann, H. Mann. Durch den 1. Weltkrieg wurde bald das brüchige Verhältnis zwischen Staat, Volk und Literatur offenbar. Anfangs herrschte vaterländische Begeisterung; doch bald bevorzugte man zeitferne Bücher wie die „Indienfahrt“ von W. Bonsels. Mit „Berlin Alexanderplatz“ schuf A. Döblin mit den Mitteln der Montagetechnik den ersten deutschsprachigen Großstadtroman.

Die Literatur der Zwanzigerjahre hat man als Übergang vom Expressionismus zu einer „neuen Sachlichkeit“ beschrieben; in ihr verschärften sich die Spannungen zwischen der so genannten „Asphalt“-Literatur Berlins, die mit ihren kühnen Theaterinszenierungen (L. Jessner, J. Fehling, E. Piscator) zu einem internationalen Experimentierfeld wurde; die politisch engagierte Literatur, und hier besonders die Aufarbeitung der Kriegsschrecken, nahm eine wichtige Stellung ein (H. Mann, E. Toller, K. Tucholsky, E. M. Remarque, A. Zweig, L. Renn). Zugleich führten die bereits etablierten Autoren ihr Werk fort, an zentraler Stelle G. Hauptmann und T. Mann, daneben aber auch G. Benn, S. George, H. Hesse, F. Kafka, H. Mann, R. Musil, F. Werfel u. a. Die Bühnen eroberten B. Brecht („Die Dreigroschenoper“), F. Bruckner und C. Zuckmayer, aber auch R. Billinger („Rauhnacht“), A. Bronnen, B. Frank, Komödien von C. Goetz, H. H. Jahnn, H. Johst, Klabund, M. Mell, A. Neumann, F. Toller, F. Wolf wurden gespielt. In der Lyrik erstarkte neben christlicher Religiosität (G. von Le Fort, R. Schaumann, R. A. Schröder, K. Weiß) eine neue Naturmythik (A. von Hatzfeld, O. Loerke, F. Schnack); andererseits lebte das bänkelsängerische Gebrauchsgedicht, das Chanson sowie der Song auf (B. Brecht, E. Kästner, W. Mehring, J. Ringelnatz, K. Tucholsky). Manche der neuen Autoren waren ebenso gute Erzähler wie Lyriker, so H. Carossa, M. Hausmann, A. Schaeffer oder I. Seidel. Andere durchleuchteten die eigene Zeit, ihre Not und ihren Wertezerfall: H. Broch, H. Fallada, O. Flake, L. Frank, E. Glaeser, H. Kesten, R. Neumann, J. Roth, R. Schickele, A. Seghers.

Von 1933 bis 1945 war die deutschsprachige Literatur in bisher unbekanntem Ausmaß politischen Einwirkungen ausgesetzt. Die nationalsozialistische „Reichsschrifttumskammer“, die alle inländischen Veröffentlichungen kontrollierte, forderte und förderte nur Schrifttum, das in „Blut und Boden“ verwurzelt sein und den Idealen der „nordischen Rasse“ entsprechen sollte; sie verbot alles, was als „nichtarisch“, als ästhetenhaft, intellektualistisch erschien. Die Folge war eine „volkshafte“, oft krampfhaft-heroische, von der menschenverachtenden nationalsozialistischen Ideologie durchsetzte Gesinnungsliteratur. Die herrschende geistige Unfreiheit trieb Autoren in die Emigration ins Ausland oder mehr oder minder „nach innen“. Jene, die bereits internationales Ansehen besaßen, wurden für die Exilliteratur zur stärksten Stütze. B. Brecht etwa verfasste „Mutter Courage“, „Leben des Galilei“. T. Mann vollendete seinen „Joseph“-Zyklus und deutete im „Doktor Faustus“ die eigene Zeit; sein Bruder Heinrich gestaltete seine politischen Ideale in „König Henri Quatre“ (Trilogie). Welterfolge hatten A. Seghers („Das siebte Kreuz“), A. Zweig und S. Zweig („Die Welt von gestern“). Andere Emigranten behaupteten sich „draußen“ nur schwer, so A. Döblin, O. M. Graf, J. Roth, A. Schaeffer, R. Schickele, F. von Unruh, P. Zech. Auch in der Lyrik spiegelte sich die Not des Vertriebenendaseins wider, und für die Dramatiker stand als deutschsprachige Bühne von Rang fast nur das Zürcher Schauspielhaus zur Verfügung. - Innerhalb des „Reiches“, wo sich meist jugendliche Poeten mit Trommel- und Fanfarenklängen oder Sprechchören an Symbolen geeinter Macht berauschten, kamen einige der älteren Autoren (darunter H. Carossa, K. Edschmid, H. Fallada, O. Flake, F. Griese, G. Hauptmann, G. von Le Fort, A. Miegel, I. Seidel, H. Stehr, E. Strauß) den offiziellen Forderungen doch nur bedingt entgegen, einige wagten sogar den Protest, so E. Wiechert, der einige Zeit im KZ verbringen musste. Dagegen galt E. Jünger mit seinem Lob des heroischen Individuums und seiner Verachtung der zivilen, modernen Gesellschaft den Machthabern als Stütze des deutschen Konservatismus.

Der Titel „Das Innere Reich“ einer 1934 gegründeten Zeitschrift (Herausgeber P. Alverdes und K. B. von Mechow) kennzeichnet die Lage: Man zog sich auf die Innerlichkeit, die „ewigen Werte“, auf die Natur und die reine Sprache des Gedichts zurück. Vielgesichtig wurde die Gestaltung historischer Welten in Erzählungen, sei es als zeitgemäße Umdeutung als „Flucht in die Geschichte“ oder als kritische Aussage zur eigenen Zeit (W. Bergengruen, J. Klepper, H. Leip, R. Schneider, F. Thiess). Auch im Drama bevorzugte man Historisches und Mythisches (F. Bethge, B. von Heiseler), aber auch einen pathetischen Ton (H. Johst, E. G. Kolbenheyer, C. Langenbeck, H. Rehberg); jedoch war handfeste Massenunterhaltung weit erfolgreicher. Autoren wie K. Kluge, E. Roth, H. Spoerl versuchten, die Schrecken des Krieges durch Humor zu überwinden.

Das Jahr 1945 bildet auch für die Literatur einen tiefen Einschnitt. Nach Propaganda, Pathos und geistigem Zwang wurde um so intensiver das erlebte Grauen, die Leere und das Doppelbödige des Daseins bewusst. Eine „Trümmerliteratur“ des Grau in Grau entsprach einer Existenzphilosophie vom Menschen, der in die Welt „geworfen“ ist bzw. dem von J. P. Sartre ausgeprägten „Existenzialismus“. Rasch verbreiteten sich die bislang kaum zugänglichen Werke der Emigranten und des Auslands (E. Hemingway, W. Faulkner, T. Wilder, T. S. Eliot; J. Giraudoux, J. Anouilh), und als erste Nachkriegsromane erschienen u. a. H. Hesses „Glasperlenspiel“ oder F. Werfels „Stern der Ungeborenen“. Auf dem Gebiet der Lyrik wurden Werke aus dem Nachlass Verfolgter (A. Haushofer, G. Kolmar) veröffentlicht. Auf den Bühnen sah man W. Borcherts bitteres Heimkehrerstück „Draußen vor der Tür“ und C. Zuckmayers „Des Teufels General“, daneben Stücke von B. Brecht („Herr Puntila und sein Knecht Matti“), M. Frisch („Nun singen sie wieder“), F. Hochwälder, G. Weisenborn. Manche nahezu Vergessene wie E. Barlach, R. Borchardt, H. Broch, F. Bruckner, E. Canetti, S. Heym, H. H. Jahnn, K. Krauss, R. Walser, K. Weiß rückten neu ins Bewusstsein. Leidenschaftlich diskutierte man G. Benn, E. Jüngerund in anderer Hinsicht auch T. Mann.

Unterdes war die deutsche Literatur wiederum aufgespalten worden. In der DDR fanden jene exilierten Schriftsteller eine Heimat, die einen literarischen Beitrag zum Aufbau eines sozialistischen Deutschland leisten wollten (B. Brecht, J. R. Becher, A. Seghers, H. Kant, S. Hermlin). Literatur, die sich diesem neuen Dogma des „sozialistischen Realismus“ nicht unterordnen ließ, wurde als formalistische oder spätkapitalistische Verfallskunst verurteilt. Literatur und Kunst galten als Waffen im Klassenkampf. Durch fachgemäße Anleitung hoffte man, die Werktätigen selbst zu politisch aktivierten Darstellern und Gestaltern ihrer Arbeitswelt heranbilden zu können. Nach dem Vorbild des späten B. Brecht und gemäß seiner Theorie vom „epischen Theater“ entstanden Stücke, die sich mit der deutschen Geschichte und gesellschaftlichen Strukturen auseinander setzten (H. Baierl, P. Hacks, H. Müller). In den 1960er Jahren durchbrach eine junge Generation von Autoren diese Leitidee und problematisierte den sozialistischen Alltag (V. Braun, B. Führmann, H. Müller, P. Hacks, S. Kirsch, E. Strittmatter, B. Reimann). Der Gegensatz zwischen Ideologie und gesellschaftlicher Realität bestimmte auch das Werk von C. Wolf, U. Plenzdorf, C. Hein, S. Heym oder G. de Bruyn. Aufgrund von Parteisanktionen verließen ab 1976 viele Autoren das Land (W. Biermann, T. Brasch, J. Becker, R. Kunze, G. Kunert, E. Loest, H.-J. Schädlich).

In der westdeutschen Nachkriegsliteratur strebten einige Lyriker eine „reine Schönheit“ des Sprachmaterials an, bei der alles Metaphysische und Sinndeutende, ja die Mitteilungsfunktion überhaupt, belanglos wird. Andere waren zumeist von der Chiffrensprache G. Trakls, von G. Benn, vom Dadaismus oder Surrealismus beeinflusst. Hierher gehören: I. Bachmann, P. Celan, H. Domin, H. M. Enzensberger, W. Höllerer, K. Krolow, E. Meister, H. Piontek, P. Rühmkorf. – Von ähnlicher Vielfalt ist die Bühnenliteratur. Starkes Interesse fanden die zeitgeschichtlichen Dokumentarstücke, wie sie T. Dorst, H. M. Enzensberger, G. Grass, R. Hochhuth, H. Kipphardt, P. Weiss geboten haben. Unter den Theaterexperimenten („Anti-Theater“, engagiertes „Straßentheater“) erregten das meiste Aufsehen die Sprechstücke („Publikumsbeschimpfung“, „Kaspar“) und Pantomimen von P. Handke. Oft gespielt wurden auch: L. Ahlsen, H. Asmodi, W. Bauer, R. Hey, W. Hildesheimer, S. Lenz („Zeit der Schuldlosen“). Fast jeder dieser Autoren schrieb auch Hör- oder Fernsehspiele. Hier nehmen Vergangenheitsbewältigung und zeitkritische Bestandsaufnahme thematisch den breitesten Raum ein. Seit Anfang der 1950er Jahre gewannen einige Schriftstellervereinigungen Einfluss auf das literarische Leben, insbesondere die „Gruppe 47“ (1947–1977). Hier stellten meist jüngere Autoren ihre Werke vor und wurden kritisch gewürdigt. Insbesondere sind zu nennen: H. Achternbusch, I. Aichinger, A. Andersch, T. Bernhard, H. Böll, G. Grass, U. Johnson, W. Koeppen, S. Lenz, G. Wohmann, W. Wondratschek. In dem offeneren literarischen Klima konnten sich auch Einzelgänger wie A. Schmidt („Zettels Traum“), B. Strauß, M. Walser und H. C. Artmann durchsetzen. 1961 bildete sich die „Gruppe 61“, die sich - frei von politischen Richtlinien - mit sozialen und menschlichen Problemen der industriellen Arbeitswelt auseinander setzte. Mitglieder waren u. a. M. von der Grün, G. Wallraff und E. Runge.

Diesen betont politischen Tendenzen stand in den 1970er und 1980er Jahren eine Neigung zum Autobiografischen sowie eine „Neue Subjektivität“ gegenüber; die Auseinandersetzung mit dem Elternhaus und die Emanzipation der Frau spielen dabei eine große Rolle (E. Plessen, K. Struck, P. Härtling, P. Henisch, E. Herhaus, H. Fichte, R. D. Brinkmann, N. Born). Besonderen Erfolg hatte W. Kempowski mit seinen chronikartigen Romanen, die die Zeit von 1939-1945 mit unzähligen charakteristischen Einzelheiten wiedergeben.

Nach der Wende begann die literarische Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Neuorientierung (T. Brussig, D. Grünbein, T. Hettche, W. Hilbig, H. Königsdorf, Herta Müller). Die deutsche Literatur zu Beginn des 21. Jahrhunderts wird u. a. von jungen Autoren geprägt, die die Frage nach der individuellen Stellung in Leben und Gesellschaft thematisieren (M. Biller, I. Dische, J. Hermann, K. Lange-Müller, M. Rinke, B. Vanderbeke).

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